Nur ein Gerücht
erst auf die eine und dann auf die andere Seite. Aber wie ich ihn auch hielt, das Ganze, sah aus wie ein Hund.
»Es ist ein Hund«, hörte, ich plötzlich Susannes rauchige Stimme.
Ich drehte mich um und entdeckte sie im hinteren Teil des Gartens auf einer Liege. Mit dem Daumen wies ich auf das Fenster in meinem Rücken. »Ist das eine Neuerscheinung am Firmament oder bist du dir selbst untreu geworden?«
»Keines von beidem. Ich erweitere nur mein Spektrum um die chinesischen Tierkreiszeichen.«
»Interessant.«
»Was übersetzt so viel heißt wie: Lass uns über etwas anderes reden. Ärger?«
»Kann man so sagen.«
»Hol dir von drinnen eine Wolldecke und setz dich zu mir.«
»Ich brauche keine Decke, ich friere nicht.«
»Unsinn«, widersprach sie mir. »Es ist noch viel zu kalt abends. Du holst dir eine Blasenentzündung.«
»Susanne, wann begreifst du, dass ich keine Mutter brauche, die auf mich aufpasst?«
»Wenn du anfängst, sorgsamer mit dir umzugehen. Hast du heute überhaupt schon etwas gegessen?«
»Frühstück.«
Sie schälte sich aus ihrer Decke. »Ich bin gleich zurück.«
Keine fünf Minuten später kam sie mit einer Decke und einem reichlich gefüllten Teller wieder aus dem Haus. Bei ihrem Anblick musste ich an die drei Zett denken, mit denen sie sich gerne beschrieb: zu klein, zart und zäh. Sie war nur einen Meter sechzig groß und konnte auf jemanden, der sie nicht kannte, tatsächlich zart wirken. Wer allerdings mit ihr Bekanntschaft schloss, wurde des dritten Zetts sehr schnell gewahr. In Anbetracht der Farbe ihrer schulterlangen Haare, die sie an diesem Abend zu einem lockeren Knoten gebunden hatte, fügte ich regelmäßig noch ein viertes Zett hinzu: zu rot. Susanne verteidigte diese Farbe stets augenzwinkernd mit der Behauptung, kleine Menschen würden generell übersehen, und dieses Risiko wolle sie nicht eingehen.
Während sie die Decke über meinen Beinen ausbreitete, wunderte ich mich einmal mehr darüber, dass sie allein lebte. Als ich sie einmal danach gefragt hatte, war sie sehr einsilbig geworden. Und da es auch in meinem Leben Dinge gab, über die ich nicht reden wollte, hatte ich das Thema nie wieder angeschnitten.
Ich zerteilte die Pellkartoffeln auf meinem Teller in kleine Stücke und tauchte sie in den Kräuterquark. »Danke für den Kuchen«, sagte ich schließlich, »und fürs Füttern und, und, und. Ich weiß wirklich nicht, was ich ohne dich getan hätte.«
Sie verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Dafür, dass sie einem in der Not helfen und nicht kneifen, sind Freunde schließlich da. Das Gleiche hättest du für mich getan.«
Der Gedanke, dass ich diesem Anspruch an eine Freundschaft nicht immer gerecht geworden war, hatte mich lange Zeit bedrückt. Erst als ich mich mit den Jahren immer weiter von der Dreizehnjährigen entfernt hatte, die ich einmal gewesen war, hatte ich mein Verhalten in einem gnädigeren Licht sehen können. Entschlossen verscheuchte ich die Erinnerungen. »Was hältst du von Reitstunden als Dankeschön?«
In ihren Augen blitzte Freude auf. »Viel! Du weißt aber hoffentlich, was du dir damit antust. Ich bin kein junger Hüpfer mehr, der das in drei Tagen lernt«
»Auch ein junger Hüpfer kann nicht nach drei Tagen reiten. Sobald du eine Reithose und Stiefel hast, kann's losgehen.«
»Dann war mein Horoskop für heute gar nicht so schlecht. Es hat mir eine wunderbare Überraschung prophezeit.«
»Meines hat dagegen versagt«, sagte ich betrübt.
Während Susanne mit ihrem Feuerzeug mehrere Kerzen in zwei großen Laternen anzündete, erzählte ich ihr von meinem Gespräch mit Hans Pattberg. Im Gegensatz zu Christian glaubte sie nicht, dass ihm ausschließlich eine Laus über die Leber gelaufen war. Sie tendierte eher in meine Richtung und zeigte sich besorgt.
»Vielleicht will der Alte seinem Enkel den Hof übergeben, jetzt, wo er schon mal da ist«, überlegte sie laut. »Vielleicht geht es ihm gegen den Strich, dass sein eigen Fleisch und Blut bei seiner Pächterin angestellt ist Der Bungehof ist ein gut gehender Stall. Mit Hilfe des Alten könnte der Enkel versuchen, in deine Fußstapfen zu treten.«
»Aber dann müsste der Pattberg ein Interesse daran haben, dass die Pensionspferde bleiben. So, wie ich ihn verstanden habe, will er aber, dass ich den Stall leer zurücklasse.«
»Das sagt er jetzt. Wahrscheinlich hat er vor, hinter deinem Rücken Absprachen mit den Besitzern zu treffen.«
»Das würden sie mir sagen.«
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