Nur ein kleines Bischen
er dieses Gespräch zwanzig Mal in einer Woche führen müsste? Vor allem, wenn er die anderen neunzehn Mal versucht hat, weisen, schwesterlichen Rat zu erteilen und sie nicht auf ein einziges Wort davon hört. Unterm Strich wird sie tun, was immer sie will. Es ist reine Zeitver-schwendung, das Thema mit mir zu zerpflücken.
Sunny schiebt die Unterlippe vor. »Schön«, sagt sie.
»Dann hilf mir eben nicht.«
Ich wende mich vom Computer ab, aber meine Finger schweben noch immer über der Play-Taste. »Sunny, wenn du damit nicht endlich aufhörst, werde ich dich erwürgen. Und dann wirst du keine Entscheidung mehr zu treffen haben.«
Meine Zwillingsschwester macht den Mund auf, um zu sprechen, aber glücklicherweise öffnet sich in diesem Augenblick mit einem vernehmlichen Knarren die Haustür. Mom muss nach Hause gekommen sein.
Es wird Zeit, dass dieses ganze Gerede über Sex aufhört. Wir gehen die Treppe hinunter, um sie zu begrüßen. Sie hat die Arme voll mit Lebensmitteln aus dem grünen Genossenschaftsladen. Ich nehme ihr eine Papiertüte ab und bringe sie in die Küche. Sunny geht zum Wagen, um sich den Rest der Sachen zu schnappen.
»Danke«, sagt Mom, während wir die Lebensmittel in die Schränke und den Kühlschrank räumen. Als ich ein purpurfarbenes, runzliges Gemüse, das ich nicht erkenne, herausnehme, verziehe ich das Gesicht.
»Was ist. . .?«
Mom zuckt die Achseln. »Ich weiß es nicht genau.
Aber es war im Sonderangebot.«
Typisch. Mom ist ein Exhippie und hat früher in einer echten Kommune im tiefsten Hinterland von New York gelebt, bevor mein Dad sie abgefischt und mit Zwillingen geschwängert hat. In allem anderen versuchte sie, die perfekte Mom zu sein, aber ihre Kochkünste sind dem Zeitalter des Wassermanns verhaftet geblieben. Wenn man einem Rezept Tofu hinzufügen kann, dann hat sie es mit Sicherheit getan.
Nicht, dass es für mich noch länger eine große Rolle spielen würde. Als Vampir kann ich nicht essen. Was eine Erleichterung ist, sofern es um Moms Küche geht.
»Also, Mädchen, ich muss mit euch über etwas reden«, sagt Mom und setzt sich an den Tisch, nachdem die Lebensmittel weggeräumt sind. »Es geht um David.«
David ist Moms Freund. Letztes Frühjahr dachten wir, er sei ein böser Vampir, und haben versucht, ihn mit einer Riesenwasserpistole voll Weihwasser zu duschen. Wie sich rausgestellt hat, ist er tatsächlich ein Wächter bei Slayer Inc., der Firma, für die ich gearbeitet habe. Er hat sich in meine Mom verliebt, während er den Auftrag hatte, über mich zu wachen.
Sie sind den ganzen Sommer miteinander ausgegan-gen. Er ist wohl in Ordnung, glaube ich. Aber irgendwie etwas abgehoben und verschroben. Was ihn zu einem guten Partner für Mom macht, obwohl es ab und zu nervt, ihn in der Nähe zu haben. Glücklicherweise lebt er am anderen Ende der Stadt.
»Er wird bald hier wohnen.«
Was? Ich sehe zuerst Sunny an, dann wieder meine Mom.
»Hier wohnen?«, fragt Sunny, die genauso ungläubig klingt, wie ich mich fühle.
»Er zieht bei uns ein? Er kann nicht hier einziehen!
Du kennst den Burschen doch kaum.«
Mom runzelt die Stirn. »Rayne, das werde ich entscheiden, nicht du. Und außerdem ist es nur vor-
übergehend. Er lässt seine Eigentumswohnung reno-vieren und muss irgendwo unterkommen.«
»Auf keinen Fall!«, protestiere ich. »Dieses Haus ist eine männerfreie Zone. Ich meine, im Badezimmer-schrank liegen Tampons. Und an der Duschstange hängen meine BHs.«
»Vielleicht wird dich das dazu ermuntern, ab und zu deine Sachen hinter dir wegzuräumen«, kontert Mom.
Ich beschließe, es mit einer anderen Taktik zu versuchen, um nicht obendrein noch eine Räum-dein-Zimmer-auf-Lektion ertragen zu müssen. »Mom, was für eine Art von moralischer Botschaft vermittelt das deinen Töchtern? Sich einfach mit irgendeinem herge-laufenen Typen zusammenzutun!« Ich heuchle Entsetzen.
»Hm, du hast recht, Rayne!«, greift Sunny mir unter die Arme.
»Vielleicht sollte ich mal schauen, ob mein Freund bei mir einziehen will. Schließlich sind wir schon einen Monat länger zusammen als Mom und David.«
Mom verdreht die Augen. »Nun habt euch nicht so, Mädchen«, sagt sie, ungerührt von unserem verletzten moralischen Empfinden. »Außerdem wird er nicht in meinem Zimmer wohnen.«
Sunny und ich sehen einander an.
»Äh - wo wohnt er dann? Dieses Haus hat nur drei Schlafzimmer.«
»Er wird in einem von euren Zimmern wohnen«, erklärt Mom in überaus
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