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Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013!

Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013!

Titel: Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Tourmalin
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und T-Shirt trägt, fällt es nicht so sehr auf, dass er die Sachen auch über Nacht getragen hat. Seine Haare sitzen nicht mehr perfekt und seinem Gesicht sieht man an, dass er sich nicht frisch rasiert hat, aber ihm steht das. In Modezeitschriften nennt man das einen Out-of-Bed-Look. Total angesagt. Manche Promis bezahlen richtig viel Geld dafür, kein Witz.
    Als wir im Erdgeschoss ankommen und durch die große Eingangshalle gehen, taucht plötzlich ein Dienstmädchen auf. Sie erschrickt, grüßt dann aber freundlich, sieht diskret weg und tritt den Rückzug an.
    Vermutlich könnte Wiesenthal mich vor seinem kompletten Hofstaat erschießen und hinterher hätte keiner etwas gesehen.
    Sobald wir durch die Tür ins Freie treten, atme ich unwillkürlich auf. Nicht, dass ich mich schon als gerettet ansehen würde. Aber insgesamt erscheint mir meine derzeitige Lage doch weitaus weniger bedrohlich als in diesem dunklen Kellerloch. Schönes Wetter, Tageslicht, zwitschernde Vögel – irgendwie meint man immer, an einem sonnigen Vormittag könnte einem nichts Schlimmes passieren. Unglücke geschehen nachts oder während eines Unwetters, aber niemals tagsüber bei Sonnenschein.
    Soweit die Theorie, die auf jahrelangem Fernsehkonsum basiert, der mein Weltbild stärker geprägt hat, als mir bisher bewusst war.
    Wiesenthal gibt Markus ein Zeichen und beide haken sich jeweils rechts und links bei mir unter. Die andere Hand behält er noch immer in der Jackentasche und das sieht nun wirklich mehr als seltsam aus. Meine Fluchtmöglichkeit sinkt dadurch natürlich rapide, denn ich müsste mich schon von zwei recht durchtrainierten Männern losreißen und dann so schnell verschwinden, dass mich die Kugeln nicht erreichen können. Absolut abwegiger Gedanke.
    In dieser bizarren Formation gehen wir die Auffahrt entlang auf das sich langsam öffnende Tor zu. Gleich habe ich wieder eine wichtige Etappe auf dem Weg in die Freiheit geschafft.
    Vor dem Tor steht ein schwarzer Mercedes – vermutlich Wiesenthals Auto. Wie klischeehaft, der Bösewicht fährt eine schwarze Luxuslimousine. Jetzt ist mir auch klar, warum ich vorhin kein Auto kommen gehört habe, er hat nämlich gar nicht auf dem Grundstück geparkt, warum auch immer.
    Psycho-Dad steuert auf das Auto zu, Markus zieht mich in Richtung Fußweg. Da mich beide schraubstockartig an den Armen umklammert halten, werde ich fast entzwei gerissen. Als sie bemerken, dass wir nicht vorankommen, und dass das nicht an mir liegt, entbrennt eine Diskussion zwischen den beiden.
    Meine Aufmerksamkeit wird von etwas ganz anderem gefesselt: In dem Gebüsch neben der Auffahrt nehme ich eine Bewegung wahr, die Vater und Sohn nicht bemerken, da sie sich gerade darüber streiten, wie wir unseren Weg fortsetzen sollen.
    Senior will mit dem Auto fahren, Markus hält dagegen, dass es wirklich nicht weit und die Situation zu Fuß besser kontrollierbar sei. Mir persönlich wäre es auch lieber, die Strecke zu Fuß zurück zu legen, aber mich fragt niemand. Durch ihren Streit abgelenkt, lockern beide ihren Griff um meine Arme und lassen mich kurz aus den Augen, da sie sich wütend anstarren. Weil sie noch immer dicht bei mir stehen, brauche ich natürlich gar nicht erst an Flucht zu denken.
    Aber da war doch was, in dem Gebüsch. Ich bin mir sicher, dass ich vorhin eine Gestalt dahinter huschen gesehen habe. Ich versuche, so unauffällig wie möglich in diese Richtung zu gucken, aber es bewegt sich nichts mehr. Weiter oben in den Zweigen eines Baumes sehe ich einen Vogel herumhüpfen, aber mein Gefühl sagt mir, dass es nicht das war, was ich eben gesehen habe. Oder habe ich jetzt schon Halluzinationen? Schlafentzug, eine emotionale Achterbahnfahrt, wenig Essen und dazu mit Sicherheit eine leichte Dehydrierung, wer weiß, vielleicht sehe ich wirklich schon Gespenster.
    Obwohl – oder gerade weil – ich sehr müde bin, hätte ich nichts gegen einen kurzen Spaziergang an der frischen Luft einzuwenden. Ich will nicht schon wieder das Gefühl haben, irgendwo eingesperrt zu sein, und sei es nur in einer Luxuslimousine. Das Gehen erweckt wenigstens den Anschein von Normalität und Freiheit.
    Die Diskussion der beiden neigt sich dem Ende zu, all die guten Argumente, die Markus vorgebracht hat, stoßen bei seinem Vater auf taube Ohren: Wir werden mit dem Auto fahren.
    Sie legen fest, dass Markus fährt und Psycho mit mir zusammen auf der Rückbank Platz nehmen wird, damit er mich unter Kontrolle halten kann.

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