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abzufeuern.
Markus erwidert nur lapidar, dass ihm das jetzt im Moment erst eingefallen sei und dass wir hinten weniger Aufsehen erregen würden, was seinen Vater nur noch mehr zetern lässt.
Bei dem Lärm, den er veranstaltet, wird unsere Anwesenheit sicher nicht lange unbemerkt bleiben.
Mit der Aussicht, meine Tortur weitestgehend überstanden zu haben, schreite ich beschwingt durch die Regalreihen und halte schon Ausschau nach irgendetwas, das sich mir gleich als nützlich erweisen könnte.
Mittlerweile darf ich sogar alleine gehen. Markus geht zwar nur eine Handbreit von mir entfernt und Psycho hält seine Pistole auf mich gerichtet, aber trotzdem fühle ich mich schon fast frei.
„ He, was machen Sie denn hier? Dieser Bereich ist für Kunden nur in Begleitung eines Mitarbeiters zugängig!“, ruft eine energische Männerstimme hinter uns. Endlich! Ich bin gerettet! Wir sind aufgefallen!
Es geht alles ganz schnell. Wir drehen uns alle drei gleichzeitig nach hinten um, ein Lagerarbeiter in blauem Overall und mit gelbem Helm auf dem Kopf kommt eiligen Schrittes auf uns zu – und Wiesenthal schießt.
Der Mann wird von der Wucht der Kugel nach hinten geschleudert, er reißt die Augen auf und es ertönt ein wirklich furchtbares Geräusch aus seiner Kehle, eine Mischung aus Schrei und Röcheln. So etwas habe ich noch nie gehört und verspüre auch nicht die geringste Lust auf eine Wiederholung.
Ich sehe, wie er blutend auf dem Boden zusammenbricht, dann werde ich unsanft am Arm gepackt und weggezerrt.
In Wiesenthals Augen ist nur noch blanker Irrsinn, sonst nichts. Wie ein Geisteskranker rennt er durch die Regalreihen, zerrt mich hinter sich her und brüllt immer wieder: „Was mein ist, ist mein! Was mein ist, ist mein! Ich muss es finden!“ Seine Stimme überschlägt sich und in seinen Mundwinkeln bilden sich kleine Speichelbläschen, die zerplatzen und als Fäden an seinen Wangen hinunterlaufen. Markus rennt nebenher und versucht, auf ihn einzureden.
„ Vater, bitte, lass Hilda los, gib mir deine Pistole, komm schon“, doch sein Vater hat schlicht und ergreifend den Verstand verloren.
Ich bin mit der Situation vollkommen überfordert, lasse mich mitschleifen, renne, stolpere, kann nicht denken. In einer Art geistiger Starre bin ich nur noch eine körperlich funktionierende Puppe ohne eigenen Willen. Doch warum eigentlich? Warum lasse ich mich darauf ein?
Mit einem lauten Plumpsen lande ich auf dem Boden. Wiesenthal stiert mich mit funkelnden Augen an.
„ Steh auf“, verlangt er.
„ Kann nicht“, ist alles, was ich dazu zu sagen habe und ich beginne, gegen meinen Willen heftig zu schluchzen.
Und wenn er mich jetzt auf der Stelle erschießt, dann ist es halt so. Wer garantiert mir, dass er am Ende, wenn ich brav mitspiele, nicht doch meint, es wäre besser, mich umzulegen? Ich kann es auch gleich darauf ankommen lassen. Immer wieder diese neue Hoffnung, die sich zerschlägt, das halte ich nicht mehr aus. Weinend kauere ich auf dem Boden. Ich habe aufgegeben.
Perplex sieht er mich an, es scheint irgendwie in ihm zu arbeiten, aber er versteht mich trotzdem nicht.
„ Was soll das heißen?“, faucht er mich an.
„ Das heißt, ich kann nicht aufstehen“, motze ich ihn unter Tränen an. So einfach ist das, und doch so unverständlich für ihn.
Zornig hebt er seine Waffe und zielt damit genau auf mein Gesicht. Er ist ungefähr einen Meter von mir entfernt und kommt langsam, ganz bedrohlich, auf mich zu. Ich kneife die Augen zusammen, bin nicht in der Lage, ihn noch eine Sekunde länger anzusehen.
„ Ich sage es dir jetzt zum letzten Mal: Steh auf!“, zischt er mich aus zusammengebissenen Zähnen an. Ich atme tief ein, rieche den leicht feuchten, erdigen Geruch der Lagerhalle und plötzlich ist mein Kampfgeist wieder da. Ich will nicht sterben!
Im selben Moment lasse ich mich zur Seite fallen und rolle unter das Regal direkt neben mir. Einen Sekundenbruchteil später ertönt ein Schuss, aber er hat mich verfehlt. Ich hatte das nicht geplant, es war eine Art Reflex, als hätte mich jemand ferngesteuert. Bevor mein Kopf überhaupt den Entschluss fassen konnte, zu fliehen, hat mein Körper schon damit angefangen.
Einmal begonnen, darf ich nun nicht mehr aufhören, das ist klar. Ich höre Wiesenthal fluchen und Tongefäße auf dem Boden zerschellen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.
So schnell ich kann, robbe ich unter dem Regal durch, springe auf der anderen Seite auf die Beine und renne, was
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