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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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oder? Warum, liegt auf der Hand, nicht wahr? Weil so die Chance größer ist, dass einer von ihnen sich mit dem Geheimnis ans Ufer rettet.«
    »Und wenn wir einfach alle drei von der Bildfläche verschwinden?«, sagt Bidane auf einmal leise.
    Koldobike guckt ganz erschrocken. Wahrscheinlich denkt sie wie ich: Eine gute Geschichte braucht ein dramatisches Ende, und das darf man den Lesern nicht vorenthalten.
    »Ich bleibe trotzdem hier«, erklärt sie noch einmal feierlich. »Genauso wie du eben erklärt hast, du würdest mehr dir selbst als uns Mut zusprechen, sage ich dir jetzt, dass es mir bei dem Ganzen vor allem um dich, Sancho Bordaberri, geht. Und ich werde nicht zulassen, dass du dein Leben für diesen bescheuerten Roman opferst! Bereits vergessen, dass Eladioseinen Bruder auf dem Gewissen hat? Und wen hast du schon umgebracht? Du kannst doch nicht mal einer Fliege etwas zuleide tun! Und ein Jagdgewehr besitzt du auch nicht. Und selbst wenn du eins hättest, wo wäre es dann? Zu Hause! Du hast dich wie Don Quijote vollkommen naiv auf ein gefährliches Abenteuer eingelassen. Für das heute Nacht braucht man Erfahrung, wie du sie höchstens im Krieg hättest sammeln können, damals hat man dich aber ausgemustert.«
    »Das heute Nacht wird keine Großrazzia der Polizei, sondern ein Kampf Mann gegen Mann.«
    »Zwischen zwei fahrenden Rittern?«
    Ganz langsam erhebe ich mich, drücke dabei die Brust heraus und setze ein Gesicht auf wie das von einem knallharten, zu allem bereiten Burschen; zumindest hoffe ich, dass das bei Koldobike so ankommt.
    »I’ll do it my way.«
    Es klingt selbst für mich lächerlich, zumal meine Aussprache alles andere als akzentfrei war, aber ich bin jetzt nicht mehr Sancho Bordaberri.
    Und tatsächlich erzielt es die gewünschte Wirkung: Die beiden stehen nun ebenfalls auf.
    »Das gefällt mir überhaupt nicht«, erklärt Koldobike seufzend. »Dass dieser Sam Esparta dich dermaßen vereinnahmt, als wärst du wirklich er!
›I’ll do it my way‹:
Ganz schön große Töne, die du da spuckst! Kurioserweise klingt das dermaßen gut, dass ich glaube, ich bin inzwischen genauso verrückt wie du.«
    »Bring Bidane am besten in die Buchhandlung«, bitte ich sie, nehme die Petroleumlampe vom Tisch und geleite die beiden Frauen dann durch den düsteren Flur zur Haustür. Mit dem Fuß stoße ich sie auf und sehe mich erst nach allen Richtungen um, bevor ich zur Seite trete, um sie hinauszulassen.
    »Na dann los, Bidane, ab in unser Rettungsboot«, brummt Koldobike und zieht Altubes Frau mit sich fort in die Dunkelheit.
     
    Als ich die Tür hinter ihnen schließe, überlege ich kurz, ob ich den Schlüssel herumdrehen soll oder nicht. Bidane hätte es sicher gemacht, deshalb soll auch Eladio Altube sein Haus so vorfinden.
    Und die Petroleumlampe? Ich werde den Docht so weit herunterschrauben, dass das Licht ihn nicht stutzig macht. Am Tisch in der guten Stube streichen meine Hände über die Kette, diesen Haufen metallener Glieder. Joseba Ermo war nach den Zallas der Dritte, der mit einer Säge zu Félix Apraiz’ Felsen kam, wahrscheinlich in der Nacht darauf, nachdem der Untersuchungsrichter und die Polizei sie dort leichtfertig haben hängen lassen. Er versteckte sie im Keller seiner Eisenwarenhandlung und trug den Schlüssel dazu immer bei sich, was einiges über sein Vertrauen zu seinem langjährigen Kumpanen Eladio Altube sagt.
    Diesen hat es in den ganzen zehn Jahren jedoch offenbar nie gekümmert, dass hinter jener Tür sein Mordinstrument lagerte; wer weiß, vielleicht hätte er selbst es sogar dort versteckt, denn eine so robuste Kette bekommt man nicht ohne die Hilfe eines Schmiedes kaputt. Ja, wahrscheinlich dachte Eladio, dort liegen sie gut, bis Gras über die Sache gewachsen ist, und wenn sie eines Tages dann doch ans Licht kommen würden, würde nach all den Jahren keiner mehr der Tatsache Bedeutung beimessen, dass aufgrund der unterschiedlichen Kettenlänge ein Zwilling gerettet wurde und der andere nicht.
    Doch auf einmal ist alles anders. Aus irgendeinem Grund bekommt er es mit der Angst tun. Warum, nachdem zehn Jahre lang niemand mehr an die Kette gedacht hat, höchstwahrscheinlichnicht einmal er selbst? Vermutlich, weil Luis Federico Larrea auf den Plan getreten ist. Der Schrittzähler jagt ihm einen Schrecken ein, weil er aus Sammelleidenschaft Ermo letztlich jeden Preis für die Kette bezahlt hätte und diese somit wieder ans Tageslicht gekommen wäre – und dann erscheine

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