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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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es Grün geworden, jetzt zeigte die Ampel aber wieder Rot. Der alte Mann sah verwirrt zu Boden und setzte sich plötzlich in Bewegung. Bremsen quietschten, jemand hupte mehrmals. Richie zog Hugo an der Hand mit sich und überquerte ebenfalls die Straße. Er achtete nicht auf das empörte Gehupe und die Rufe der Autofahrer. Hugo fing an zu weinen.
    »Du tust mir weh«, wimmerte er.
    »Ist mir scheißegal.« Er zerrte ihn mit Gewalt über die Straße und überholte den alten Mann. Hugo versuchte, sich aus seinem Griff zu lösen, und brüllte mit hochrotem Kopf: »Du tust mir weh, du tust mir weh!«
    Richie wusste, dass alle Welt ihm zusah: der alte Mann hinter ihm, die Passanten auf der Queens Parade, die Hugos Geschrei auf sie aufmerksam gemacht hatte, die Autofahrer. Es war ihm egal. Wäre er stehen geblieben, hätte er sich wahrscheinlich auf Hugo gestürzt und ihn windelweich geprügelt, für das, was er dem alten Mann angetan hatte. Sein Geschrei interessierte ihn nicht. Richie zog den stolpernden, jammernden Hugo am Schwimmbad vorbei und über die North Terrace in den Park. Erst dort ließ er ihn los. Vor Wut kochend drehte er sich nach ihm um und wollte ihn anbrüllen: Ich bring dich um, du verdammter Mistkerl. Aber erbrachte es nicht fertig. Hugo war vollkommen aufgelöst, er schrie hysterisch und zitterte am ganzen Körper. Sein Gesicht war knallrot, er sah aus, als bekäme er keine Luft. Richie bekam plötzlich Angst und schämte sich. Er kniete sich vor Hugo hin und nahm ihn in die Arme.
    Hugo klammerte sich an ihn, und Richie hielt ihn fest und wartete, dass er aufhörte zu weinen. Er wischte ihm mit der Hand die Tränen aus dem Gesicht, hielt ihm die Hand an die Nase und sagte: »Schnaub aus!«
    Der Junge gehorchte. Richie wischte sich die Finger im Gras ab.
    Hugo sah ihn immer noch ängstlich an und rieb sich den Arm.
    »Tut es weh?«
    Hugo nickte.
    »Tut mir leid, Kumpel. Ich war so wütend auf dich. Was du getan hast, war ganz schlimm, das weißt du, oder?«
    Hugo massierte weiter seinen Arm und ließ schließlich beschämt den Kopf sinken. »Entschuldigung, Richie.«
    Richie nahm seine Hand. »Dann wollen wir dich mal nach Hause bringen.«
     
    Kaum hatte Rosie die Tür geöffnet, fing er erneut an zu weinen. Seine Mutter nahm ihn sofort auf den Arm und küsste ihn wieder und wieder.
    »Was ist passiert?«
    Hugo griff nach ihrer Brust.
    Richie zuckte mit den Schultern und vermied es, sie anzusehen. Er wollte nicht mitbekommen, wie sie ihre Brust entblößte.
    Gary kam in Unterhemd und Pyjamahose an die Tür. »Was ist los?«
    Hugo ließ von Rosies Brust ab und zeigte auf Richie. »Er hat mir wehgetan.«
    Richie wich zurück. »Gar nichts hab ich getan«, protestierte er. Das konnte er unmöglich auf sich sitzenlassen. »Hugo hat einen alten Mann angespuckt. Ich hab mit ihm geschimpft. Das war alles.«
    Die beiden sahen ihn entsetzt an. Rosie schüttelte den Kopf. »Das glaub ich nicht.« Sie streichelte Hugo übers Haar. »Hat der Mann dir Angst eingejagt?«
    Richie stand mit offenem Mund da. Hugo antwortete nicht. Er hing schon wieder an Rosies Brust.
    »Hugo«, brüllte Gary. »Hast du einen alten Mann angespuckt?«
    Der Junge vergrub seinen Kopf am Busen seiner Mutter.
    »Hugo!«, schrie er wieder, sodass alle erschraken. »Was hast du verdammt nochmal gemacht?«
    Als Hugo anfing zu heulen, wollte Gary ihn packen, aber Rosie wich ihm aus und lief mit dem Jungen auf dem Arm den Flur entlang.
    Gary zuckte mit den Schultern und wandte sich an Richie. »Na komm, wir trinken erst mal ein Bier.«
     
    Gary öffnete zwei Dosen und gab eine davon Richie. Rosie hatte Wasser aufgesetzt. Sie sang leise vor sich hin, als wäre nichts gewesen.
    »Yoga war toll.« Sie strahlte Richie an und setzte sich neben ihn. Hugo spielte am anderen Tischende mit einem Spielzeuglastwagen. Sein Blick war jetzt klar, fast herausfordernd.
    »Okay«, rief seine Mutter. »Vertragen wir uns alle wieder.«
    Hugo rieb sich den Arm. »Er hat mir wehgetan.«
    Rosie zwinkerte Richie zu. »Ich bin sicher, das tut ihm leid. Es tut dir doch leid, Richie, oder?«
    Und was war mit dem alten Mann? Hugo hatte ihn angespuckt. Rosies Blick bohrte sich in seinen, entschlossen, ihm eine Entschuldigung abzuverlangen. Ihm traten die Tränen in die Augen. Er versuchte, sie wegzublinzeln. Du weinst jetzt nicht, sagte er sich, wage es ja nicht.
    »Es tut mir leid«, würgte er hervor. Er musste an Hectors verächtlichen Blick denken, an den verletzten

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