Nur einen Kuss, Kate!
einem kleinen erstaunten Ausruf wich Kate zurück, hielt ihr Kleid fest und starrte ihn stumm an.
“Jack …”, flüsterte sie. In ihrem Blick lag eine Frage, auf die es keine Antwort gab.
Momentan starrte er sie an. Dann stieß er sie mit einer Verwünschung von sich und drehte sich nach dem Tisch mit den Karaffen um. Innehaltend fluchte er wieder, steckte die Hände in die Taschen und starrte finster ins Feuer. Als er mit seinem kranken Bein gegen die Scheite trat, stoben Funken und tanzten den Kamin hinauf.
Kate brachte ihr Kleid in Ordnung und wartete dann, dass Jack sich umdrehte. Lange standen sie so da, Jack ins Feuer starrend, Kate angespannt und mit großen Augen, vom Kerzenlicht rosig überhaucht.
Jack musste krampfhaft an sich halten. Ein zärtliches Wort von seiner Seite, und sie hätte wieder in seinen Armen gelegen. Und diesmal würde ihn nichts aufhalten, da er noch nie eine Frau so begehrt hatte.
Aber Kate war eine Dame, und wenn er sie jetzt berührte, würde es nächsten Sonntag in der Kirche das Aufgebot geben, und das konnte er ihr nicht antun. Er durfte sie nicht an sich binden, wenn sie mithilfe seiner Großmutter eine gute Partie machen und ein sorgenfreies Leben führen konnte. Nein, er war zwar kein Gentleman von Format, doch besaß er genug Stolz, um das zärtliche Wort unausgesprochen zu lassen und sie nicht zum Opfer ihrer eigenen Gutherzigkeit zu machen.
“Verschwinde, ehe ich dir eine Tracht Prügel verabreiche”, knurrte er. “Hat dein Vater dir nicht beigebracht, dass man sich einem Mann nicht an den Hals wirft? Wenn ich nicht wüsste, dass du noch unschuldig bist …” Wieder fuhr er sich durchs Haar. “Das ist eine Provokation schlimmster Art. Begreifst du das nicht? Du forderst einen geradezu heraus, dich wie ein Frauenzimmer übelster Sorte zu behandeln.”
Kate, die erbleichte, wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort heraus.
Er beschuldigt mich, zügellos zu sein, dachte sie verzweifelt. Er gab ihr die Schuld – wie alle anderen auch. Er glaubte, sie habe sich ihm an den Hals geworfen.
Wenn ich nicht wüsste, dass du noch unschuldig bist …
Aber er kannte sie nicht so gut, wie er dachte. Was würde er glauben, wenn er sie einmal besser kannte? Dass sie auch Henri provoziert hatte? Dass sie es herausgefordert hatte, die Hure des Franzosen zu werden?
Wenn Jack sie jemals mit solchen Blicken ansehen würde wie die Männer in Lissabon, würde sie es nicht überleben.
Plötzlich wallte Wut in ihr auf, nicht nur wegen seiner Worte, sondern wegen all dem, was man ihr in Portugal und Spanien nachgesagt hatte.
Diese Heuchler!
Aber diesmal war sie nicht gewillt, die Schuld für das auf sich zu nehmen, was ein Mann ihr angetan hatte. Sie würde ihm die verdiente Antwort erteilen!
Totenblass starrte sie ihn an. Als er unwillkürlich nach ihr fassen wollte, holte sie aus und schlug ihm ins Gesicht. Er rührte sich nicht, und sie drehte sich wortlos um und ging hinaus.
Jack blieb stehen und starrte die Tür an, während er sich nachdenklich die Wange rieb. Die kleine Kate hatte tüchtig hingelangt. Er setzte sich wieder und starrte ins Feuer. Noch immer hielt er sich die Backe, obwohl der Schmerz längst vergangen war.
Wie hatte ihm die Situation so entgleiten können?
Verdammt, erst machte sie ihn verrückt und forderte Vergeltung heraus – wie ein kleiner Racheengel hatte sie ihm seinen Drink aus der Hand gerissen. Dann hatte sie ihm Beleidigungen und die Blumenvase an den Kopf geworfen, sein Zorn war umgeschlagen, und die Szene war in eine Jagd ausgeartet. Und als er sie gefangen hatte und ihren kleinen Körper spürte, hatte sein Verlangen ihn überwältigt.
Zum Teufel, ihr hatte eine Lektion gebührt, doch war es nie seine Absicht, sie so zu kränken. Er konnte ihren Blick nicht vergessen. Einen Moment, ehe ihr der Sinn seiner Worte aufging, hatte er scheuen, süßen Glanz in ihren Augen gesehen, als ihre Sinne noch ganz unter dem Eindruck der Umarmung standen. Jack würde nie vergessen, wie dieser zarte Glanz Schmerz und Kränkung gewichen war.
Das hatte sie nicht verdient. Er schlug mit der geballten Faust auf die Armlehne des Sessels. Verflucht, sie hätte wissen müssen, dass man ihm nicht in die Quere kommen durfte, wenn er getrunken hatte. Aber sie hatte sich so wundervoll angefühlt, so warm und vertrauensvoll. Einfach unerträglich, da er wusste, dass es unmöglich war. Deshalb war er ausfallend geworden, um sie abzuschrecken, ehe es zu spät war. Er
Weitere Kostenlose Bücher