Nur einen Kuss, Kate!
ganzen Ballsaal zu hören. Köpfe drehten sich um.
“Wen ich meine? Die kleine Farleigh natürlich! Sieh doch, wie unbekümmert sie tanzt. Noch dazu auf einem Ball zu Ehren unseres kühnen Marquis of Wellington! Unverschämt!”
Umringt von einer nach Klatsch gierenden Schar fuhr die Stimme leiser fort: “Das kleine Luder war ein Franzosenliebchen und verriet unsere tapferen Krieger an den Feind. Ich weiß es, da mein Mann einer der Offiziere war, die sie fingen. Ihr Vater würde sich im Gab umdrehen. Immer schon fragte ich mich, warum er sie nie anblickte – er muss es gewusst haben …”
Das Gedränge wurde immer dichter.
Kate spürte, dass etwas nicht stimmte. So viele verstohlene Blicke und geflüsterte Kommentare …
“Miss Farleigh, unser Tanz.” Ein eleganter junger Mann beugte sich über ihre Hand und führte sie zur nächsten Tanzfolge.
“Haben Sie schon gehört, Miss Farleigh? Ungeheuer aufregend. Offenbar hat eine Dirne sich als Dame ausgegeben. Sie soll für Bonaparte spioniert und es mit seinen Offizieren getrieben haben. Und sie soll heute da sein.” Ihr Partner blickte suchend um sich.
Kate blickte weg. Ihr wurde übel. Nur diesen Tanz, betete sie insgeheim, dann kann ich unauffällig verschwinden.
Aber es sollte nicht sein. Als sie den Kotillon tanzten, sah sie, wie ihr Partner die Neuigkeit flüsternd an andere weitergab. Plötzlich hielt er inne und starrte Kate erschrocken an. Er kehrte zu seiner Quelle zurück, flüsterte etwas und tanzte weiter.
Nur sah er ihr nicht mehr in die Augen und berührte sie kaum. Kate spürte Eis um sich. Niemand blickte sie an. Niemand berührte sie. Niemand sprach ein Wort mit ihr.
Bitterkeit kam in ihr hoch. Sie hatte es gewusst und hatte deshalb Gesellschaft meiden wollen. Hätte man ihr den Willen gelassen, wäre sie dieser neuerlichen Demütigung entgangen.
“Ceddy, bitte führe mich zu meiner Mama. Sicher wird sie nicht wollen, dass ich mich mit einer Verräterin abgebe!” Mitten in einer Tanzfigur verließ eine junge Dame die Formation.
In Sekundenschnelle war es um den Kotillon geschehen, als die Damen in Kates Reihe in Begleitung ihrer Partner vom Parkett gingen. Kate sah ihren Partner in stummem Flehen an. Wenn er sie von der Tanzfläche geleitete, würde sie wenigstens mit einem Anflug von Würde abgehen können.
Er sah sie verächtlich an. “Mein Bruder wurde bei Salamanca verwundet!”, stieß er hervor und ließ sie stehen.
Kate stand wie erstarrt mitten auf dem Tanzparkett. Sie musste verschwinden. Fort von den Blicken, vom Geflüster und den ausgestreckten Zeigefingern, vom Hass und der Verachtung. Doch sie konnte sich nicht rühren.
Die Musik wurde immer leiser, das letzte Paar verließ das Parkett. Nun galt die Aufmerksamkeit aller der dort stehenden Kate. Sie spürte, wie die Menge auf sie eindrang, spürte die hasserfüllten Blicke der blasierten, nach Sensationen gierenden Aristokraten.
In ihrer Verzweiflung blickte Kate sich nach Lady Cahill um, konnte sie aber nirgends entdecken. Mit letzter Kraft bewegte sie sich nun langsam auf den Kreis der Gaffer zu, bemüht, das Sperrfeuer der durchdringenden, boshaften und verächtlichen Blicke zu ignorieren.
Es gibt nichts, dessen ich mich schämen müsste, machte sie sich Mut und richtete sich kerzengerade auf. Zögernd wurde ihr der Weg freigegeben. Damen, die eben noch getan hatten, als wären sie ihre Freundinnen, wandten sich kalt ab. Niemand wollte ihrem Blick begegnen.
Zitternd zwang sie sich weiterzugehen und hoffte, man würde ihr Beben nicht sehen.
Konnte denn ein Raum so groß sein? Noch vier Schritte … drei … zwei …
Ein kraftvoller Arm schnellte vor und zog sie in den Kreis der Umstehenden.
“Was …?”
“Miss Farleigh, Sie müssen mich vergessen haben”, sagte Jack in ganz normalem Ton.
Kate blinzelte verwirrt.
“Das ist mein Tanz, glaube ich.” Seine gelassene Miene wurde von seinem festen Griff Lügen gestraft.
“Aber …”
Ohne ihre verzweifelten Blicke zu beachten, bewegte Jack sich durch die Menge, zog sie hinter sich her, grüßte freundlich nach allen Seiten, ganz so, als stünden sie nicht im Mittelpunkt eines Riesenskandals und würden nicht von Hunderten neugieriger Augen beobachtet.
Mit laut hallenden, unsicheren Schritten führte er sie auf die verlassene Tanzfläche. Schließlich ließ er ihren Arm los und küsste ihre Hand. Kate starrte ihn wie benommen an, er aber lächelte zärtlich und ein wenig verschmitzt.
“Nur Mut,
Weitere Kostenlose Bücher