Nur für eine Stunde?
löste sie sich von dem schattenhaften Fremden. Sie wünschte, sie könnte sein Gesicht wenigstens ein Mal sehen, nur ganz kurz, um zu erfahren, wer dieser wundervolle Geliebte war. “Wie lange haben wir noch?”, fragte sie.
“Schau zur Uhr”, flüsterte er.
Sie rollte sich auf die Seite und blickte zum Wecker. Auf dem Zahlenfeld war ein schwaches Leuchten zu erkennen, als ob die Ziffern nach einem Stromausfall neue Kräfte sammelten. Allmählich wurden die Digital-Zeichen sichtbar: 2:00.
Martha fuhr herum.
Der Mann war fort.
3. KAPITEL
“Blake, Sie hören mir nicht zu”, beklagte sich Doug Horowitz, der Leiter der Marketingabteilung. Er war sehr gescheit und besaß zwei Universitätsdiplome – und damit zwei mehr als Blake, weshalb dieser sich normalerweise die größte Mühe gab, seinen Ausführungen zu folgen.
Normalerweise fühlte Blake sich an Montagen besonders fit und energiegeladen. Aber dieser Montag war kein normaler Montag. Blake war müde. Er war rastlos. Er hatte große Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, und wusste nicht, warum.
Allerdings hatte er eine Vermutung. Dieser Montag machte ihm so zu schaffen, weil er sich noch nicht an die Zeitumstellung angepasst hatte. Am Samstagabend war nämlich noch alles normal gewesen. Er war gut nach Hause gekommen, hatte eine Dose Bier aufgemacht – selbst den Schöpfer von Fruchtdrinks verlangte es ab und zu nach etwas Alkoholischem – und sich auf dem Sofa ausgestreckt und im Fernsehen ein Footballspiel angesehen. Sein Kopf hatte sich von allen störenden Gedanken geleert – bald war er nur noch auf das Spiel konzentriert und dachte nicht mehr an das neue Firmengebäude, an die Expansion seines Betriebs oder an Martha Cooper und ihren Hund. Bis zu den Elfuhrnachrichten mit der Erinnerung an die Zeitumstellung hielt er sich noch wach. Dann stellte er seine Uhren zurück, ging duschen und ins Bett.
Aber er hatte nicht gut geschlafen. Immer wieder döste er ein und wachte schlagartig auf – aufs Äußerste erregt wie ein pubertärer Teenager. Die ganze Nacht ging das so. Er träumte, wurde wach, schlief wieder ein, träumte … Verdammt, er erinnerte sich nicht einmal an den Traum, aber aus seiner Reaktion zu schließen war er garantiert nicht jugendfrei. Als es zum vierten Mal passierte, stand er auf und nahm noch eine Dusche, um sich abzukühlen.
Angespannt und kribbelig stand er Sonntag viel zu früh auf – der Uhr nach eine Stunde früher als zu früh. Planlos vertrödelte er den Tag, puzzelte im Haus herum, blickte missmutig in den tristen Nieselregen und erwog die Anschaffung eines Hundes. Was für eine Schnapsidee. Als ob er einen Hund in seinem Leben brauchte. Als ob eine eigene Firma nicht Verantwortung genug für jemanden war, der sich nie um Verantwortung gerissen hatte.
Hier war er nun also, am Montagmorgen, und sein Experte für Geschäftsstrategien nervte ihn mit den Leuten von “Good Earth”. Er wusste, was Doug zu sagen hatte, war wichtig. Er musste dem Mann zuhören, aber verdammt, nicht jetzt.
“Die Naturkostkette Good Earth ist ein bedeutender Markt”, erläuterte Doug. “Ich dachte, der Deal wäre so gut wie perfekt, aber plötzlich blocken diese Leute ab. Ich verstehe das nicht. Heute Morgen fand ich ein Fax in meinem Büro vor – sie hielten es für verfrüht, einen Vertrag mit uns abzuschließen. Ich hab sofort in Chicago angerufen, aber eine klare Antwort konnte ich aus keinem herauskriegen.”
“Natürlich nicht. Es ist halb zehn an einem Montagmorgen. Das heißt … Moment … halb acht bei denen da drüben.”
Doug zog die Augenbrauen hoch. Obwohl er in Blakes Alter war, wirkte er zehn Jahre älter. Vielleicht lag es an seinem korrekten Haarschnitt, vielleicht auch an seinem korrekten Anzug. Oder es lag an all dem akademischen Wissen in seinen grauen Augen, oder an seiner edlen Designerbrille. “Werfen Sie einen Blick in den Atlas, Blake. Chicago liegt in derselben Zeitzone wie wir.”
“Wenn schon, das spielt keine Rolle. Kein Mensch ist heute in der richtigen Zeitzone. Die Umstellung bringt alles durcheinander.”
Doug warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. “Ich halte es für das Beste, wenn wir nach Chicago fliegen und persönlich mit den Leuten von Good Earth reden. Wir müssen mit eigenen Augen sehen, was dort läuft. Vor einem Monat, vor einer Woche waren sie noch so begeistert von unserem Produkt – und plötzlich faseln sie von Regalplatz und Werbungskosten. Sie brüsten sich damit, gesunde
Weitere Kostenlose Bücher