Nur für Schokolade
war er noch nicht so lange im Gefängnis, um zu wissen, wie die Mitgefangenen auf Morde an Säuglingen und wehrlosen alten Männern reagieren.
Bei dem Widerruf seines Geständnisses mit dem Polizeibeamten nimmt die Staatsanwaltschaft an, daß er nicht wollte, daß man ihm den Mord an einem Beamten nachweist, weil auch Gefängniswärter Beamte sind. Er hat sichtlich Angst, daß er ein negatives Verhalten der Gefängnisbeamten zu befürchten hätte, wenn er diesen Mord nicht widerruft.«
In den darauffolgenden Prozeßtagen legt er stets freundlich seine Erklärungen ab, beschreibt detailliert seine Verbrechen und ist bemüht, seine ihm gestellte Aufgabe bestens zu erfüllen.
Mit der Zeit nimmt das Medieninteresse etwas ab, was
Leszek sehr enttäuscht. Er beginnt Gespräche in den
Prozeßpausen zu führen, obwohl er zuvor beschlossen hat, nur gegen Bezahlung über sich zu berichten. Er fragt auch den Staatsanwalt, ob die Reporter ihn nicht für jede Veröffentlichung aus seinem Leben und seiner Taten bezahlen müßten.
Leszek nennt dies die »Absicherung seiner Schriftsteller-rechte«. Geld darf Leszek nach Anordnung des Gerichtes nicht verlangen, doch wer an Informationen gelangen will, muß trotzdem tief in die Tasche greifen. Seine Gier wächst von Tag zu Tag und die Einkaufszettel werden immer länger. Auch die Reporterin, der er genehmigt hat, ein Bild von ihm zu schießen, muß vor jedem Interview große Einkäufe tätigen. Bei seinen Interviews zögert und stottert er, spricht aber wieder sehr schnell, als ob er eine auswendiggelernte Lektion regelrecht 160
ausspeien wollte. Auffallend sind seine schönen, nicht von der Arbeit beanspruchten Hände, schmalen Finger. Die Reporterin fragt Leszek in einer Verhandlungspause: »Haben Sie
niemanden verletzt?«
»Nein, niemanden, nur die Vergewaltigung, wo mich die Frau erkannt hatte. Alles andere wurde mir eingeredet.«
Lächelnd sagt er weiter: »Ich kann über meine Kindheit sprechen, über das, wie mir meine Mutter stets Leid zugefügt hat. – Sie nehmen es mir aber nicht wieder weg?« Dabei schaut er gierig auf die mitgebrachte Einkaufstasche.
»Natürlich werde ich es wieder wegnehmen und werde auch gar nicht zuhören, wenn Sie nur über Ihre Kindheit sprechen.
Das haben sie mir doch schon hundert Mal erzählt.«
»Alles?«
»Ja, alles!«
Leszek denkt kurz nach und sagt dann: »Dann gebe ich alles zu. Ich habe diese Menschen getötet. Nur dieses Baby nicht, den Polizisten nicht und den älteren Mann auch nicht.«
Die Reporterin ist verblüfft. Aber: Zur allgemeinen
Überraschung des Gerichtes zieht Leszek Pekalski am 19.
Verhandlungstag alle seine bisher abgegebenen Geständnisse zurück. Bei den Beobachtern der Verhandlung erweckt dies die verschiedensten Reaktionen. Man fragt sich: Wie war es wirklich? Wurde er zu den Geständnissen gezwungen? Oder kam es zu dieser Wandlung, weil es ja auch sein konnte, daß die Zeugen ihn nach so vielen Jahren nicht wiedererkennen konnten?
Das Gericht verhört 130 Zeugen und viele von ihnen
zweifeln, ihn als Täter wirklich identifizieren zu können. Aber es gibt auch genügend Zeugen, die Leszek zweifelsfrei wiedererkennen. Sie haben sich sehr genau sein Gesicht gemerkt, vor allem seine Augen. »diesen eiskalten Blick eines bösen Tieres«, wie es ein Zeuge formulierte. Gespannt sind Prozeßbeobachter auch auf die Ausführungen der Psychologen, 161
die Leszek eineinhalb Jahre lang untersucht haben.
Folgende Erkenntnisse über den Angeklagten werden vor Gericht gebracht: »Leszek Pekalski ist der typische
Sexualverbrecher. Die Erzählungen über seine Taten bereiten ihm Freude. Sein psychischer Zustand hat sich seit seinem ersten Vergehen nicht geändert. Er tötete, weil er es brauchte.
Sexualtrieb und Sadismus treffen bei ihm in einer extremen Form aufeinander. Während der Untersuchungen und der
Gespräche war er sehr nett, ja, sogar schon zutraulich, er zeigte deutlich, daß er als Person akzeptiert werden will. Dies ist kein Fall von Schizophrenie.
Pekalski wußte sehr genau was er tat, aber er war nicht imstande, sich zu beherrschen. Eine Heilung ist nicht möglich, man kann aber mit Medikamenten seinen Sexualtrieb löschen.
Es ist nicht sicher, ob er seine Taten dann nicht wiederholen wird, auch wenn sein Sexualtrieb nicht mehr im Vordergrund steht. Sexualmassenmörder sind vor allem Menschen mit tiefen Persönlichkeitsstörungen, manchmal auch in Verbindung mit einer Schädigung des
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