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Nur für Schokolade

Nur für Schokolade

Titel: Nur für Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaques Buval
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Staatsanwaltschaft), als eine Zeitung ein aktuelles Foto des Angeklagten veröffentlicht. Man sieht, daß der Fotograf dieses im Gefängnis von Slupsk gemacht haben muß. Die Staatsanwaltschaft versucht, die undichte Stelle, durch die dieses Material nach außen gelang, zu finden. Aber der einzige, der wissen muß, wer für diesen Skandal gesorgt hat, Leszek Pekalski, schweigt beharrlich. Obwohl die Justizbeamten inzwischen sein herausragendes Gedächtnis und sein
    Erinnerungsvermögen kennen, will er sich nicht mehr erinnern.
    Sein Kommentar zu diesem Vorfall: »Ich wollte das Honorar, mehr sage ich nicht dazu.«
    Fünf Tage nach der Veröffentlichung dieses Fotos beginnt der Prozeß gegen Pekalski. In die nicht öffentliche Sitzung werden nur ausgesuchte Reporter gelassen, und sogar diese müssen bei besonders bedeutsamen Aussagen Leszeks den Sitzungssaal verlassen. Es wird darauf geachtet, daß die Angehörigen der Opfer und die ermittelnden Beamten nicht anwesend sind. Diese Verhandlung soll zum größten Prozeß werden, seit es die Demokratie in Polen gibt. Ein hoher Polizeibeamter gibt eines Tages zu verstehen, daß der Prozeß Modellcharakter erhalten soll; es solle deutlich gezeigt werden, daß die Gerichte Polens funktionieren, man will die Befreiung des Landes von der Gewaltherrschaft des Kommunismus
    demonstrieren.
    Es ist der 2. April 1996 gegen 8 Uhr morgens. Das gesamte 152
    Gerichtsgebäude ist von polnischen Medienleuten umringt.
    Alles wartet gespannt auf die Ankunft Leszek Pekalskis. Die Protokollführerin muß sich mit 67 Aktenordnern durch das riesige Gedränge von Fotografen und Reportern in den
    Sitzungssaal kämpfen. Alle wollen wenigstens ein Foto von ihm, da bekannt wird, daß er während der Haft 30 Kilogramm zugenommen hat. Um 9.30 Uhr fährt der graublaue
    Gefangenentransporter mit dem streng bewachten Angeklagten vor. Dieser wird über einen separaten Seiteneingang in den Innenhof des Gebäudes gebracht, der für die wartenden Fotografen nicht erreichbar ist. Sie können Leszek, mit Handschellen an das Fenster des Wagens gekettet, nicht sehen, da man ein Spalier von Polizeibeamten vom Wagen bis zum
    Eingang des Gebäudes gebildet hat. Leszek steigt mit über den Kopf gezogener Jacke aus dem Wagen, so daß es unmöglich ist, sein Gesicht zu sehen. Sein Weg zum Gerichtssaal ist abgesperrt, keinem Reporter gelingt es, in seine Nähe zu kommen.
    Weil die erste Anwältin die Pflichtverteidigung Leszeks ablehnte, sind zwei männliche Strafverteidiger vom Gericht bestellt. Sie haben bereits ihre Plätze eingenommen, als Leszek den Saal betritt. Noch immer hat er seine Jacke nicht vom Kopf genommen. Der Angeklagte, von kleiner Statur, vornüber geneigt, in sich zusammengesunken, mit einem unruhigen Glitzern in den Augen und sehr, sehr blaß, bittet den Richter:
    »Bitte, lassen Sie kein Bild von mir in der Presse und im Fernsehen veröffentlichen. Danke.«
    »Nehmen Sie die Jacke vom Kopf«, ist die knappe Antwort des Richters.
    Leszek verbirgt sein Gesicht mit den Händen.
    Der Staatsanwalt verliest in fünf Stunden eine 250 Seiten lange Anklageschrift. Demnach soll Leszek Pekalski 17
    Menschen getötet haben. Nur um sich ein wenig im Saal umschauen zu können, legt Leszek sein Gesicht leicht frei.

    153
    Durch seine gespreizten Finger glitzern unheimliche Augen, er mustert seine Umgebung genau.
    Nach zweistündiger Verlesung der Anklage, die die ersten acht Morde betreffen, verschwindet plötzlich seine Schüchtern-heit – er nimmt die Hände vom Gesicht, fängt an, in den Zuhörerraum zu lächeln und für die Fotografen zu posieren. In der ersten Pause sagt er zu einem seiner Wächter, daß er für ein entsprechendes Honorar bereit wäre, ein Interview zu geben.
    Nach Verlesung der Anklageschrift erhält Leszek Pekalski die Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft zu äußern. Seine Augen wandern kurz von einer Seite zur
    anderen, dann schaut er wieder auf seine Hände. Nachdem er sich nochmals der Beamten versichert hat, erklärt er: »Ich habe die ganzen Menschen nicht getötet, über die der Herr
    Staatsanwalt sprach. Ich habe nur vierzehn Menschen getötet.«
    Er gibt an, daß ihn die Polizei dazu gebracht habe, alle diese Morde zu gestehen. Dabei hält er den Kopf gesenkt und spricht ganz leise, als wolle er nur zu sich selbst sprechen. Er zählt sorgfältig auf, womit man ihn zum Geständnis gebracht hat: Schokolade, Zigaretten, Süßigkeiten, Kaffee, Zucker – da er

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