Nur Fuer Schokolade
und doch will er sich zum Urteil äußern:
»Leszek Pekalski wird nach diesem Urteil zunächst in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Erst wenn die Ärzte glauben, man könne ihn aus der Psychiatrie wieder entlassen, beginnt seine Haftstrafe von 25 Jahren. Man weiß, daß dies einer lebenslänglichen Strafe gleichkommt. Dieses Urteil kann man nicht kommentieren. Aus Hochachtung vor dem Gericht muß ich sagen: Ich sollte zufrieden sein über das harte Urteil des Gerichtes, da eine Einweisung in eine psychiatrische Anstalt vor Antritt der Haftstrafe einer lebenslänglichen Haft gleichgestellt werden kann. Aber ich gehe in Berufung beim nächsthöheren Gericht in Danzig.«
Ein Reporter hat in der Zwischenzeit ausgerechnet, daß Leszek für die ihm vorgeworfenen Taten in Amerika 743 Jahre Gefängnis bekommen hätte. Die Verhandlung ist zu Ende. Im Saal beginnen die Fernsehleute, ihre Kameras abzubauen, nur ein alter Herr, der die gesamten Verhandlungstage mitverfolgt hat, gibt noch einen Kommentar ab: »Ein kluger Richter! Aus all diesen Fällen pickte er sich den Fall heraus, der ihm am besten geeignet erschien, Leszek Pekalski verurteilen zu können und hoffte, daß auch die Staatsanwaltschaft mit diesem Urteil zufrieden sein würde.«
Das Ende des Schreckens
Stunden später sitzt Leszek Pekalski wieder im Besucherraum des Gefängnisses in Slupsk, doch er ist nicht ansprechbar.
Zusammengekauert auf einem Stuhl, nimmt er den Besucher nicht mehr wahr.
Seine Augen blicken wirr durch den Raum und er reagiert auf nichts mehr. Die Beamten merken, daß eine Kommuni-kation mit ihm nicht möglich ist. und führen ihn wie ein Häuflein Elend aus dem Raum. Ein Wärter erklärt sein Verhalten: »Alle Gefangenen, die eine hohe Haftstrafe erhalten haben, bekommen Beruhigungsmittel, damit wird die Selbst-mordrate an den ersten Tagen nach dem Urteil stark reduziert.«
»Aber Leszek Pekalski sagt doch immer, daß er Angst vor dem Tod hat.«
»Auch er ist nur ein Mensch. Auch, wenn er Leszek Pekalski heißt!«
Diese Aussage erinnert an sein schriftliches Geständnis, das damit endet: »Ich bereue, daß ich so vielen Menschen Schmuck weggenommen habe, weil ich kein Geld zum Leben hatte. Die Rente reichte nicht aus. Ich möchte das wieder gutmachen, aber wie soll das möglich sein? Es waren Ringe, Kleidungsstücke, Butterbrote und Geld.« Dann fügte er noch hinzu: »Von den Menschen, über die mich die Polizei verhört hat, erfuhr ich erst von ihr, daß sie tot sind.«
Leszek Pekalski hat sein Urteil erhalten – für ganz Polen ein lächerliches Urteil. Die Menschen befürchten, daß dieser Mann noch einmal auf freien Fuß gesetzt werden könnte, wie viele Mörder in Polen, wie man mir immer wieder bestätigt.
»Man hätte ihn aufhängen sollen, wie den ,Skorpion’ in Danzig, im Jahre 1988.« Das wird gefordert, von vielen Menschen in Polen. Pawel Tuchlin, der »Skorpion«, wie man ihn nannte, war der letzte Mörder in Polen, an dem die Todesstrafe vollstreckt wurde. Er hatte neun Menschen getötet und elf Opfer zwischen 1975 bis 1983 schwerverletzt.
Doch für Leszek Pekalski ist diese Strafe nicht einmal beantragt worden. Polen möchte in die EU aufgenommen werden, was mit Ländern, die die Todesstrafe noch vollstrecken, nicht geschieht.
Einsam verbringt Leszek Pekalski die Tage in seiner Zelle und wundert sich, daß kein Reporter mehr an ihn Fragen stellt oder ihn fotografiert. Er kann nicht begreifen, warum kein ausländischer Journalist mehr Tragetüten voller Geschenke bringt. Seine Vorräte an ausländischen Lebensmitteln gehen zu Ende, seine Rente ist über Jahre hinaus nicht mehr verfügbar.
Seine Zukunft verheißt auch, lange Zeit ohne Arbeit zu sein, das bedeutet, keinen Einkauf mehr im Gefängnis tätigen zu können. Im Klartext: keine Zigaretten, kein deutscher Kaffee und keine Schokolade mehr, die er doch so liebt. Keine Ausflüge mehr mit dem Staatsanwalt und der Polizei durch ganz Polen, keine Fahrten mehr zum Gericht, die ihm so viel Abwechslung gebracht haben. Er muß die Stille ertragen – die endlose Stille der Zelle 53 im Arrest der Strafanstalt in Slupsk.
Täglich fragt er nach Besuchern, wann man wieder mit ihm sprechen wolle, erzählt der Gefängnisdirektor. Erst jetzt, nach über vier Jahren Untersuchungshaft, lernt er die Härte eines Gefängnisses in Polen kennen. Spürt die Einsamkeit einer Zelle, fühlt die Enge dieses Raumes. Täglich will er in die kleine Kapelle in der Zelle nebenan,
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