Nur Fuer Schokolade
feststellen. Fest steht: Das Urteil scheint ihn nicht betroffen zu machen. Es scheint vielmehr, als würde er den Worten des Richters gar keine Aufmerksamkeit schenken. Er sieht nur immer wieder auf seine Hände.
Auf diese Hände, von denen nur er weiß, welches Unrecht sie angerichtet haben. Ständig richtet er seine Haare zurecht, als gelte es, einen guten Eindruck auf die Fotografen zu machen. In der Urteilsbegründung weist der Richter darauf hin, daß die gesamte Strafzumessung nur auf den Fall Sylwia R. bezogen ist. Alle anderen Anklagepunkte weist das Gericht zurück. Zu schwach wären alle Beweismittel der Staatsanwaltschaft gewesen, um Leszek Pekalski für weitere Straftaten zu verurteilen.
Jeder Zweifel, so der Vorsitzende Richter, mußte während des Prozesses zum Vorteil des Angeklagten Leszek Pekalski angerechnet werden, und Zweifel habe es viele gegeben.
Letztendlich seien nur im Falle Sylwia R. die Beweise so erdrückend, daß man daran den Angeklagten des Mordes überführen konnte. Die weiteren 16 Straftaten der Anklage hätten ihm nicht nachgewiesen werden können. Äußerst schlecht geführte Ermittlungen seien dafür verantwortlich. Es habe sich herausgestellt, daß Dreh- und Angelpunkt der Anklage die Geständnisse des Angeklagten waren. Eindeutiges, das ihn hätte überführen können, habe es indes nicht gegeben.
Plötzlich schüttelt sich Leszek, beugt sich zu seinen beiden Verteidigern nach vorne und flüstert seinem Anwalt etwas ins Ohr. Aufgeregt und gestikulierend fordert er eine sofortige Reaktion der Anwälte auf dieses Urteil.
Doch seine Verteidiger versuchen, ihn wie eine lästige Fliege abzuschütteln: »Langsam, langsam. Alles zu seiner Zeit, wir werden mit allem fertig …«. so ihr Kommentar. Das Gericht schließt die Verhandlung und alle im Saal warten darauf, was nun geschehen würde, wenn Leszek an Sylwias Mutter vorbeigeführt wird, die er keines Blickes mehr würdigt.
Doch nun merkt man ihm an, daß er sich unwohl in seiner Haut fühlt. Er weiß, er muß nun nur wenige Zentimeter an der Frau vorbei, vor der er Angst hat.
Kaum ist er von seiner Bank aufgestanden und die Beamten haben ihm die Handschellen angelegt, als Sylwias Mutter von ihrem Platz aufspringt und Leszek Pekalski zuruft: »Mörder, wie konntest du Sylwia töten!«
Weinend hat die Mutter das Urteil hingenommen und der Vater sitzt regungslos auf seinem Stuhl, als würde alles spurlos an ihm vorüberziehen. Nun reagieren auch die Beamten auf die immens gestiegene Spannung im Saal. Sie ziehen Leszek aus der Bank und versuchen zu dritt, Leszek so in die Mitte zu nehmen, daß es niemandem gelingen kann, ihn zu berühren.
Ängstlich drückt sich Leszek an die Beamten, er erkennt die Gefahr, in der er sich befindet. Zuviel Angst hat er vor einer Frau, von der er weiß, daß sie ihn schon einmal töten wollte.
Die Beamten wollen jedoch nicht zuviel Kontakt zu ihrem Gefangenen und weisen ihn etwas zurück.
Leszek ist vielleicht noch zwei Meter von Sylwias Mutter entfernt, als diese ihn anschreit: »Das ist zuwenig, du Schwein.
Er kommt eines Tages raus und wird weiter töten, so, wie er Sylwia getötet hat. Er muß lebenslänglich bekommen.«
Und während alle Leszek begleitenden Beamten auf eine Konfrontation vorbereitet sind, rennt Sylwias Mutter auf Leszek Pekalski zu. Als machten ihr die Beamten den Weg frei, gelingt es der Frau, auf Leszek einzuschlagen. Mit aller Wucht schlägt sie Leszek Pekalski ins Gesicht und niemand hat das Bedürfnis, sie zurückzuhalten. Leszek schreit und weint und fordert immer wieder, ihn zu beschützen, doch es dauert noch einige Schläge, bis die Beamten Leszek wieder in Sicherheit bringen.
Mit einem Lächeln auf den Lippen gehen die Beamten mit diesem Großmeister des Schreckens, der jetzt ein jämmerliches Bild abgibt, aus dem Raum und man kann nur vermuten, daß es ihnen eine Genugtuung war, was eben mit ihrem Schutz-befohlenen geschehen ist.
Die Reaktion der Mutter hat ihnen zugesagt, sie alle sind Familienväter und denken wohl an ihre eigenen Kinder, die leicht ebenso Opfer Leszek Pekalskis hätten werden können.
In seiner Zelle ist Leszek nicht ansprechbar, er sitzt in einer Ecke und spricht kein Wort. Es ist zu vermuten, daß er Medikamente erhalten hat, denn auch anschließend, in der Haftanstalt, ist mit ihm nicht zu sprechen. Er kauert einfach nur auf seinem Stuhl und schweigt.
Dem Staatsanwalt steht die Trauer über seinen Mißerfolg im Gesicht geschrieben
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