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Nur Gutes

Titel: Nur Gutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Koch
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Kinder sind hier. Was hat er gesagt?, fragt jemand. Hab’s nicht verstanden. Du!, hat er gesagt, du! Die Pflegerin sagt: Rufen Sie mich, wenn Sie mich brauchen. Seine Hände sind ganz heiß, flüstert jemand. Papa klammert wie ein Kind. Jemand schluchzt. Wenn er doch nur gehen könnte. Red nicht so, noch lebt er und hört uns vielleicht. Er lässt meine Hand nicht mehr los, das wird mir nun zu heiß, setz du dich mal hierher und gib ihm deine Hand. Die Luft riecht nach Kamille. Er sagt leise: Du! Was, Vater? Was willst du sagen? Schau mal seine Augen, so riesig, als hätte er Angst, flüstert jemand. Red nicht so laut, wahrscheinlich hört er dich. Vor was soll er denn Angst haben, jetzt noch? Die Pflegerin kommt ins Zimmer. Vielleicht, sagt sie, wäre es gut, sie ließen Musik laufen, vielleicht seine liebste Musik. Sie sehen sich an. Woher jetzt Musik? Eine Lieblingsmusik hat er nicht, sagt jemand. Papa, sogar die Dagmar aus Aberwald ist gekommen, die Dagmar aus Aberwald, was willst du ihr sagen? Er öffnet die Augen, die Zunge zittert. Jemand schiebt eine Kassette ins Gerät. Fado, wie kommt denn der zu solcher Musik? Vater war doch nie in Portugal. Was weißt du schon?, sagt jemand und kichert, wie kommst denn du, als Einzige in der Familie, zu schwarzem Haar? Achtundachtzigist kein schlechtes Alter, flüstert jemand. Grauenhafte Musik, finde ich, kann man die nicht ein bisschen leiser stellen? Mein Zug fährt um zehn nach sechs, sagt eine. Das wird mir nun zu heiß, sagt eine andere und entzieht sich Vaters Hand, setz du dich mal zu ihm. Seine Hände suchen. Komm, wir legen ihm die Puppe ins Bett. Sie legen die Puppe in seine Hände, blonde Zöpfe, die Hände finden die Puppe und beruhigen sich schnell. Jemand dreht sich zum Fenster und weint. Zum Sterben ist er zu schwach, sagt sie. Red keinen Unsinn! Doch, zum Sterben ist Vater zu schwach, Sterben strengt an. Die Pflegerin streichelt sein Haar, er öffnet die Augen und starrt zur Decke, quadratische Gipsplatten mit kleinen Löchern, Paul Baumer hebt den Kopf, gelbe Augen, Gipsplatten mit Löchern.

    ‹Die Heiterkeit in Gott›, sagte Dagmar.
    Sie saß am Tisch, das Gesicht in die linke Hand gelegt, und sah Albert zu. Über grüne Tinte geneigt, ging Albert drei Schritte durch die Küche, redete ohne Ton, Albert drehte sich zum Fenster, ging den Weg zurück, hin, her.

    Ich fürchte, ich habe nie aufgehört, ihn zu lieben -

    ‹Was lächelst du?›, fragte Albert.
    ‹Weil Simon Rindsbraten sagt, nie Rinderbraten. Obwohl er es doch wissen müsste.›
    Albert blieb stehen und sagte: ‹Denke ich an Rindsbraten, möchte ich hier Gitter und Stäbe verbiegen.›
    ‹Das Gefängnis hat ihn zerstört›, sagte sie.
    ‹Dagmar›, stöhnte er.
    Albert ging drei Schritte hin, drei her, schob eine Karte hinter die andere.
    Am Anfang, dachte jetzt Dagmar, predigte er mir, bevor er zum Gottesdienst in die Kirche ging, zur Probe. Ich setzte mich an den Tisch, Albert ging durch den Raum, drei Schritte hin, drei her, den Kopf geneigt, und predigte. Predigen kann er nur stehend. Lobte ich, dachte Dagmar, seine Predigt nicht, fragte er: Mal ehrlich, Dagmar, ist das denn so schwierig zu begreifen?
    Lieber lobte sie.

    Es klingelte an der Tür.
    Gleichzeitig sahen Albert und Dagmar zur Uhr, die neben dem langen Kalender hing, fünf nach neun.
    Albert sagte leise: ‹Ich habe zu tun. Bitte öffne du.›
    ‹Im Morgenrock!›, flüsterte Dagmar.
    Sie sahen sich in die Augen.
    ‹Wahrscheinlich jemand, der Geld will›, sagte Dagmar, ‹die werden immer frecher und betteln sogar am Sonntagmorgen.›
    ‹Ich habe zu tun.›
    Zäh und hoch stand Albert in der Küche und neigte den Kopf zu den weißen Karten, Dagmar saß am Tisch, fuhr sich durchs Haar.

    Fünf nach neun am Sonntagmorgen! -

    Die Klingel ging, lang und fordernd. Albert warf die Notizen auf den Tisch und trat in den Flur. Mit beiden Händen schob Dagmar die Karten zu einem wilden Stapel, rasch stand sie auf, zupfte am Morgenrock, zog den Gürtel fest und stellte sich neben den Kühlschrank.
    Du bist der Pastor, nicht ich. Dich suchen die Leute, nicht mich -
    Albert schaute durchs Guckloch.
    ‹Eine Frau!›, flüsterte er.
    Dagmar stand neben dem Kühlschrank und schwieg.
    ‹Ich kenne sie nicht.›
    ‹Dann mach nicht auf›, sagte Dagmar, ‹die will nur Geld.›
    ‹Eine junge Frau mit langen schwarzen Haaren.›
    ‹Mach nicht auf›, flüsterte Dagmar.
    Albert drehte den Schlüssel, der im Schloss steckte, und

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