Nur Gutes
bald sagen würde, dass er, im Grunde, Sonntage nicht mochte.
Albert stieß sich vom Stuhl, bucklig stand er am Tisch und bettete das Luftkissen um, auf dem er saß, ließ sich darauf fallen.
‹Danke›, sagte er.
Sie zog das Messer über die Butter und strich die Butter aufs Brot und legte das Brot in ihren Teller.
‹Es riecht nach Schnee›, sagte sie leise.
Albert sah zum Fenster und nickte.
‹Man muss›, sagte er, ‹am Wagen die Reifen wechseln.›
‹Ja›, sagte sie.
Sie schwiegen.
Mutter und Vater saßen in der Küche unter einer schwachen Lampe, zehn vor acht Uhr im Dezember. An der Wand hing eine Uhr, ein langer schmaler Kalender, auf den sie ihre Termine schrieben, ein Aquarell aus Italien, schlanke Bäume in froher Landschaft. Wenn schon Kunst, fand Albert, dann eine, die man nicht auf dem Wochenmarkt in Luino kauft.
Albert tupfte mit dem Finger die Krümel vom Tisch.
Er ist alt geworden und schön -
Und umständlich -
Gestern ging er in den Keller, um eine Flasche Wein zu holen, seinen Valpolicella, und statt mit Wein kam er mit dem Vogelfutter zurück, das er jeden Winter vors Fenster streut. Vor drei Tagen blies Albert, kaum hatte er am Adventskranz die erste Kerze entflammt, das Streichholz aus, legte es zur Seite und hielt ein altes, zur Hälfte verkohltes Hölzchen in die Flamme, wartete, bis es brannte und zündete damit die zweite Kerze an.
‹Was lächelst du?›, fragte er.
‹Lächle ich?›, fragte sie.
‹Eindeutig›, sagte er, ‹du lächelst.›
‹Vielleicht wegen der Kinder, wegen Tim und Charlotte.›
Albert schwieg.
Jetzt schweigt er -
Sie sagte: ‹Albert, wenn Simon wieder anfängt damit – bitte geh ins Wohnzimmer und spiel mit den Kindern. Oder schließ dich ein im Büro. Sag ihm, du hättest zu tun.›
Dagmar versteht nicht, Dagmar kann nicht verstehen, Dagmar hat kein Talent dafür -
‹Dass er nach zwanzig Jahren noch.›
‹Sechzehn›, sagte Dagmar, ‹nicht zwanzig, es sind sechzehn. Wir hatten vor sechzehn Jahren. Und deshalb weiß ich es so genau.›
‹Mach bitte einen ganzen Satz, meine Liebe›, sagte Albert leise.
‹Wir hatten vor sechzehn Jahren die Katze neu.›
‹Wir hatten vor sechzehn Jahren die Katze neu›, sagte Albert, ‹gut zu wissen.›
Er schob die Tasse über den Tisch, legte das Messer, das er selten brauchte, weil Dagmar, ohne zu fragen, ihm das Brot strich, in seinen gelben Teller.
‹Die Katze ist sechzehn. Das steht so in ihrem Impfausweis›, sagte Dagmar.
‹Dagmar, die Katze ist längst tot.›
Dagmar fragte, ob er noch Kaffee wolle.
Vor sechzehn Jahren, ich war neunzehn, sperrte man mich ins Gefängnis, Paragraph dreiundvierzig, Absatz zwei des Strafgesetzbuchs, Beihilfe zum vollendeten Versuch einer Entführung.
Zwei Jahre lang sollte ich ins Gefängnis von Anderau. Nach sechzehn Monaten kam ich auf Bewährung frei.
Wenn Albert, dachte Dagmar, doch nur einmal laut und grob würde, wenn er doch, statt leise zu giften, sein kleines gelbes Tellerchen zertrümmerte, wenn Albert doch, statt den Kilometerzähler seines Opels vor jeder Fahrt auf null zu stellen, um danach aufzuschreiben, wohin und wie weit die Reise führte, wenn er doch nur einmal kühn ins Irgendwo aufbräche.
Sie habe geträumt vergangene Nacht, sagte Dagmar, von einem sterbenden Mann, der Baumer hieß, genau wie Paul. Und sie, Dagmar, sei, wenn sie sich jetzt richtig erinnere, eine von Baumers Töchtern gewesen. Ein seltsamer wirrer Traum. Auch deshalb, weil Paul nur eine Tochter habe. Einen Satz könne sie nicht vergessen, sagte Dagmar: Sterben strengt an.
Albert, mein Vater, sah zur Uhr, dann zum Fenster. Auf einer Antenne saßen Vögel, schwarz, starr, vielleicht Amseln, bei Vögeln kannte er sich nicht aus.
Dagmar trug das Geschirr vom Tisch, steckte es in die Spülmaschine. Sie summte.
Wenn sie summt, könnte sie weinen -
Wenn Mutter summte, begann Vater zu schwitzen.
‹Soll ich ihn vom Bahnhof abholen oder du?›, fragte er.
‹Um elf Uhr fünfzig.›
‹Also ich.›
‹Gern›, sagte sie.
‹Und der Braten?›
‹Den übernehme ich.›
Sie schwiegen.
‹Wie alt, sagtest du, wurde die Katze?›
Sie schwiegen.
Er suchte Krümel, leckte sie vom Finger.
‹Im Tank ist kaum noch Benzin›, sagte Dagmar.
‹Zum Bahnhof wird es reichen›, sagte Albert.
Auch er habe geträumt. Er, Albert, sei Simon gewesen, Simon als Gymnasiast. Er habe vor Experten gestanden in einem weiten Saal, in einem Chemiezimmer vielleicht,
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