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Nur Gutes

Titel: Nur Gutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Koch
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Prüfungsexperten saßen in einer Reihe, und einer, in der Mitte, habe gefragt, fast geschrien: Mangold, wie setzen sich die Tränen einheimischer Libellen chemisch zusammen?

    In einer der Kisten fand ich sein Pilzmesser, mein Vater liebte Pilze, er kannte sie alle, wusste um ihre Güte, um ihre Giftigkeit und ihre Klassen und Sorten und Arten, Ellerlinge, Röhrlinge, Rötelritterlinge, Becherlinge, Goldblatt, Gelbfuß, Drüslinge, Ackerlinge, Fältlinge, Färblinge, Champignons, Reizker, Flämmlinge. Manchmal, im August nach Regen, lud er mich in den Opel, und wir fuhren vor die Stadt und gingen durch die Wälder, suchten Pilze, stundenlang, oft schweigend. Er lehrte mich, wo Pilze zu vermuten sind, wie man sie erntet, das Pilzmesser sauber durch das Pilzfleisch führt, das Wurzelwerk schont und im Waldboden belässt, wie man die Ernte in einen Weidenkorb legt, auf keinen Fall in Tüten aus Plastik.
    Mein Vater, sagte mein Vater, dein Großvater, Simon, hat mir vor Jahren erzählt, er sei einmal, als Knabe von vielleicht acht Jahren, vom Wald, in dessen Nähe man wohnte, nach Hause gerannt, einen großen schönenSchirmling in der Hand, singend vor Stolz, weil er wusste, seine Mutter liebte Schirmlinge sehr, gedreht in Eigelb und Paniermehl, in Butter gebraten. Ein Mann sei ihm begegnet, vielleicht ein Nachbar, und habe ihm für den Schirmling fünf Rappen geboten.
    Den bringe ich meiner Mutter, sagte dein Großvater. Der gehört Mama.
    Er hüpfte weiter und trat ins Haus, schenkte den Pilz seiner Mutter.
    Ein Mann, sagte dein Großvater, hat mir dafür fünf Rappen geboten.
    Und warum, fragte seine Mutter, hast du ihn nicht verkauft?
    Weil du Schirmlinge so gern hast.
    Aus dir wird nichts, sagte die Mutter.
    Wir, Albert Mangold und sein Sohn Simon, waren glückliche Sammler. Wo wir die Pilze fanden, war unser Geheimnis. Nichts verband mich mehr mit meinem Vater als das Wissen um die Gründe, wo Pfifferlinge wuchsen, Totentrompeten, Steinpilze, Morcheln. Nach der Ernte gingen wir zurück zum Opel, ich an Alberts Hand, mein Vater war groß, in einem der Ausweise, die ich fand, las ich die Zahl 191 cm.
    Seine Schritte passte er meinen an.

    Gestern Nachmittag, beim Metzger, sagte Dagmar, habe die Steiner gemeint, das eine oder andere Wort über Pauls Tochter hätte man schon verlieren müssen.
    Wer das gesagt habe, fragte Albert.
    Diese Frau Steiner.
    Welche Frau Steiner.
    Sie kenne nur eine, sagte Dagmar, die Steiner, deren Mann den Bus zum Stadion fahre.
    Und die, bitte, habe was gesagt.
    Das eine oder andere Wort, gestern, über Pauls Tochter hätte man durchaus verlieren müssen, der Wahrheit zuliebe.
    Diese Frau Steiner, deren Mann den Bus zum Stadion fahre, kenne er nicht, sagte Albert und sah zur Uhr neben Kühlschrank und Kalender, kurz vor acht.

    Paul Baumer, Inhaber eines Kleidergeschäfts, Sekretär der Kirchgemeinde Aberwald-Lukas, Vater von Anna Baumer, starb sechs Tage, bevor meine Eltern starben, an einem Montag.

    ‹Drei Kinder hat die Steiner, alle aus Indien oder Indonesien›, sagte Dagmar.
    ‹Und die meint, ich hätte an Pauls Grab über Anna reden müssen, der Vollständigkeit halber›, sagte Albert.
    ‹Der Wahrheit zuliebe, hat sie gesagt.›
    ‹Der Wahrheit zuliebe, so.›
    ‹Ich habe ihr dann gesagt, dass Paul sich das nicht gewünscht hätte, dass man an seinem Grab über Anna spricht.›
    ‹Kannte sie Paul?›
    ‹Ich habe dieser Frau Steiner, wenn dich das beruhigt, gesagt, dass Paul sich nie und nimmer gewünscht hätte,dass über Anna gesprochen wird. Schließlich sei Paul Baumer dein bester Freund gewesen, außerdem Sekretär der Kirchgemeinde.›
    Albert legte die linke Hand auf den Tisch und stieß sich vom Stuhl, bucklig stand er am Tisch und bettete das Luftkissen um, auf dem er saß, ließ sich darauf fallen. Dagmar, einen grünen Lappen in der Hand, trat an den Tisch, führte das Tuch übers helle Holz, sammelte die Krümel, die geblieben waren, und schob sie über die Kante in die freie Hand. Sie schüttelte die Krümel ins Waschbecken, wusch den Lappen und drückte ihn aus, hängte ihn zum Trocknen über den Wasserhahn, in der Mitte gefaltet.

2 Tinte
    Was meine Mutter, Dagmar Mangold, war:
    gut
    distanzlos
    keine Rechnerin
    launisch
    nicht nachtragend
    (vor Freude) schäumend
    (in ihrer Trauer) grenzenlos
    großzügig
    eifersüchtig
    versöhnlich
    gesellig
    fröhlich
    egoistisch
    rechthaberisch
    keine Strategin
    (tendenziell) glücklich
    meine Mutter

    ‹Wer liest

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