Nur mit dir sind wir eine Familie
sie schon vor Tagesanbruch hellwach im Bett. „Ich kann nicht fassen, dass wir schon morgen mit unserer Kleinen auf dem Heimweg sein werden“, murmelte Charlotte.
„Es kommt mir so vor, als seien wir schon eine Ewigkeit hier, und gleichzeitig, als seien wir gerade erst angekommen“, antwortete Sean. „Klingt verrückt, oder?“
„Nein, mir geht’s genauso. Es fühlt sich an, als wären wir hier in einer anderen Welt, in der die Uhren ganz anders ticken als im realen Leben.“
„Bist du bereit, nach Hause zu fahren, Charlotte?“
Sie schwieg einen Moment nachdenklich. „Ja … es wird Zeit. Ich sehne mich danach, rund um die Uhr für unsere Tochter verantwortlich zu sein“, antwortete sie schließlich.
„Stimmt, wir durften sie baden, füttern und ihr die Windeln wechseln. Wir waren mit ihr im Park spazieren und im Tearoom essen. Aber danach mussten wir sie immer zurück ins Waisenhaus bringen.“
Charlotte drehte sich zu ihm um und seufzte. „Ist dir eigentlich bewusst, dass wir heute die erste und einzige Nacht allein mit Katie verbringen werden, bevor wir mit ihr nach Hause fliegen?“, fragte sie. „Was ist, wenn Katie zu Hause Elmira und ihr Bettchen vermisst? Oder wenn sie solches Heimweh bekommt, dass sie sich Nacht für Nacht in den Schlaf weint? Was machen wir dann, Sean?“
„Wir geben unser Bestes“, antwortete er so selbstsicher, wie er konnte. „Wir sind ja auch keine Fremden mehr für Katie. Sie hat bereitwillig mehrere Ausflüge mit uns unternommen und zuletzt hing sie gar nicht mehr so an Elmira wie am Anfang. Außerdem haben wir inzwischen bewiesen, dass wir gute Eltern sind.“
„Stimmt, das haben wir.“
„Natürlich liegen noch weitere Herausforderungen vor uns“, fuhr er fort. „Wir werden bestimmt auch ein paar Fehler machen. Aber alles in allem bin ich davon überzeugt, dass Katie mit uns sehr glücklich sein wird.“
„Woher nimmst du nur immer deine Weisheit und Zuversicht?“, neckte Charlotte ihn.
„Ich glaube kaum, dass ich klüger bin als du, Liebling. Ich bin nur weniger ängstlich, daher ist es für mich einfacher, meinen gesunden Menschenverstand einzuschalten. Auch wenn ich gestehen muss, dass ich inzwischen ganz schön Panik habe. Die Verantwortung für ein dreizehn Monate altes Kind zu übernehmen, ist keine einfache Aufgabe. Ohne dich würde ich mir das nie zutrauen, Charlotte.“
„Ich mir ohne dich auch nicht, Sean“, murmelte sie. „Du bist ein sehr wichtiger Teil unserer Familie. Das weißt du doch, oder?“
„Ich weiß zumindest, dass mir die letzten vier Wochen mit Katie und dir sehr gutgetan haben.“ Sean gab Charlotte einen liebevollen Kuss. „Dir hoffentlich auch?“
„Oh ja! Das hier zusammen mit dir zu erleben … tat mir mehr als nur gut, Sean.“
Der plötzlich niedergeschlagene Unterton in ihrer Stimme versetzte Sean einen Stich. Doch als sie die Hand über seine Brust abwärts gleiten ließ, verdrängte seine körperliche Reaktion die Besorgnis.
„Haben wir noch Zeit für Sex?“, fragte sie, während sie seinen Bauch mit Küssen bedeckte.
„Mehr als genug“, versicherte er ihr und keuchte erregt auf, als er spürte, wie ihre warmen feuchten Lippen sich um seine Männlichkeit schlossen.
13. KAPITEL
Der letzte Tag in Almaty verging rasend schnell, da Charlotte und Sean noch einiges erledigen mussten. Charlotte war das jedoch ganz recht, denn so blieb ihr wenigstens keine Zeit, traurig zu sein. Sean hatte ihr zwar inzwischen die Angst davor genommen, endlich die volle Verantwortung für Katie zu übernehmen, aber sie konnte einfach nicht den Gedanken abschütteln, dass ihre gemeinsame Zeit vielleicht schon bald vorbei war. Als sie und Sean sich in der Nacht vor der Anhörung lange und zärtlich liebten, fragte sie sich immer wieder, ob es vielleicht ihr letztes Mal war.
Schon morgen würden sie abreisen und Montag oder spätestens Dienstag in Mayfair ankommen. Sean würde sie und Katie dort absetzen und … was dann? Würde er seine Frau und seine Tochter verlassen und nach New Orleans zurückkehren, um von dort aus die Scheidung einzureichen?
Charlotte glaubte nicht, dass er ihre Ehe und die vier wunderschönen letzten Wochen einfach so hinter sich lassen konnte, aber bisher hatte er nichts Gegenteiliges gesagt.
Die Anhörung fand in der Kanzlei des Richters statt. Da Marta alles übersetzen musste, kamen sie nur im Schneckentempo voran. Der Richter, ein Mann mittleren Alters mit Doppelkinn, silbergrauem Haar und
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