Nur mit dir sind wir eine Familie
würde sie gleich anfangen zu weinen.
Sean stand auf und gab der jungen Frau ihr Geschenk. „Danke, Elmira“, sagte er herzlich. „Danke dafür, dass Sie sich so gut um unsere Kleine gekümmert haben. Wir werden dafür sorgen, dass Katie nie vergisst, was Sie für sie getan haben.“ Sie hatten ein paar Fotos von der Betreuerin mit der Kleinen auf dem Arm geschossen, die sie in Katies Erinnerungsbuch einkleben wollten.
Als Marta seine Worte übersetzte, drückte Elmira das Geschenk an die Brust und wischte sich die Tränen aus den Augen. Sie nickte Sean und Charlotte ein letztes Mal zu und schüttelte ihnen die Hand. Nach kurzem Zögern legte sie sanft eine Hand auf Katies Kopf und sprach ein paar Worte zu dem Kind. Dann schlüpfte sie rasch aus dem Zimmer, während Charlotte, die selbst noch immer gegen die Tränen ankämpfte, die Kleine ablenkte, indem sie ihr den Schneeanzug anzog.
Keine halbe Stunde später waren sie zurück im Hotel. Katie war bereits von der Flasche entwöhnt, sodass es kein Problem darstellte, sie zu füttern. Sean und Charlotte beschlossen, in der Suite zu bleiben und sich etwas vom Zimmerservice bringen zu lassen, anstatt auszugehen, da die Kleine zufrieden mit ihren Spielsachen spielte und zwischendurch die neue Umgebung erkundete.
Sie hatten sich bereits ein Gitterbettchen ins Zimmer stellen lassen. Frisch gebadet und umgezogen, ließ Katie sich bereitwillig von Charlotte hineinlegen, protestierte jedoch energisch dagegen, allein gelassen zu werden.
„Ich kann sie gut verstehen“, sagte Sean zu Charlotte. „Das hier ist ihre erste Nacht außerhalb des Waisenhauses.“
„Ich weiß.“ Charlotte ging mit dem unruhigen Kind auf und ab. „Sie ist es gewohnt, mit anderen Kindern in einem Raum zu schlafen.“
Die Vorstellung, sich allein um Katie kümmern zu müssen, machte ihr inzwischen keine Angst mehr. Sie war durchaus in der Lage, den Bedürfnissen des kleinen Mädchens gerecht zu werden. Doch der Schlafmangel der letzten Nacht, der anstrengende Tag und das seltsame Gefühl in ihrem Magen forderten jetzt ihren Tribut: Sie wollte nur noch ins Bett.
„Ich nehme sie dir für eine Weile ab“, bot Sean an, als habe er ihre Gedanken erraten. „Du siehst total erledigt aus.“
„Ich fühle mich auch so“, gestand Charlotte und reichte Katie dankbar weiter.
Zufrieden gurgelnd, kuschelte Katie sich an Seans Schulter, steckte den Daumen in den Mund und schloss die Augen. Charlotte musste unwillkürlich lächeln.
„Was ist?“, fragte Sean.
„Ich glaube, jetzt, wo ihr Vater nach ihrer Pfeife tanzt, schläft sie bestimmt gleich ein.“
„Um sie zum Einschlafen zu bringen, würde ich sogar Trapezkunststückchen vollführen“, sagte Sean trocken. Auch er sah ziemlich erschöpft aus.
„Macht es dir etwas aus, wenn ich rasch unter die Dusche gehe?“, fragte Charlotte schuldbewusst.
„Gar nicht, aber leg dich danach bitte sofort hin und versuche, etwas zu schlafen.“
„Versprichst du mir, mich zu wecken, wenn du mich brauchst?“
„Mach ich. Aber jetzt geh. Wir haben noch zwei anstrengende Reisetage vor uns, und ich will nicht, dass du krank wirst.“
Charlotte gehorchte. Sie duschte, zog sich ihren Flanellpyjama über, kroch ins Bett und schlief sofort ein. Als sie nach etwa zwei Stunden wieder aufwachte, war sie allein. Sie lauschte einen Moment lang auf Geräusche aus dem Wohnzimmer, aber sie hörte nichts. Wo waren Sean und Katie?
Beunruhigt stand Charlotte auf und schlich sich auf Zehenspitzen nach nebenan. Sie sah die beiden sofort. Sean lag ausgestreckt auf dem Sofa mit Katie auf seiner Brust. Eine Hand lag schützend auf ihrem Rücken und die andere auf ihrem Kopf. Sie schliefen tief und fest. Ihr Anblick war so rührend, dass Charlotte ganz warm ums Herz wurde.
Flüchtig spielte sie mit dem Gedanken, Sean zu wecken und ihm vorzuschlagen, Katie ins Bett zu bringen und sich schlafen zu legen, verwarf die Idee jedoch gleich wieder. Ihr Mann hatte die Situation anscheinend im Griff. Außerdem wollte sie den kostbaren Vater-Tochter-Moment nicht zerstören. Sean würde nämlich nur dann ein Vollzeitvater werden, wenn ihm selbst bewusst wurde, wie wichtig er für die Kleine war. Also ging sie leise zurück ins Schlafzimmer und legte sich ins Bett.
Als sie zum zweiten Mal in der Nacht aufwachte, lag Sean neben ihr, einen Arm um ihre Taille geschlungen. Sie wandte den Kopf zum Gitterbettchen und sah, dass Katie ebenfalls friedlich schlummerte. Charlotte lächelte.
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