Nur mit dir sind wir eine Familie
allem gerechnet – mit einer Krankheit, dass sie die Scheidung wollte oder sogar mit einer Versöhnung zu seinen Bedingungen. Aber niemals mit dem Vorschlag, mit ihr um die halbe Welt zu reisen – ausgerechnet nach Kasachstan! – um ein fremdes Kind zu adoptieren, das er weder wollte noch brauchte. Sie musste wirklich den Verstand verloren haben!
„Sean, mir war noch nie etwas so ernst.“ Charlottes Stimme zitterte, doch ihr Blick blieb fest. „Bitte, Sean … bitte, bitte hilf mir dabei, unser kleines Mädchen nach Hause zu holen.“
„Sie ist nicht unser kleines Mädchen, Charlotte!“
„Doch … doch, ist sie. Sieh sie dir doch nur mal an … sie ist wunderschön …“
Sean hatte nicht die Absicht, einen Blick auf das Foto zu werfen, das vor ihm auf dem Tisch lag. Doch die Stimme seiner Frau klang so eindringlich, dass er ihrer Aufforderung widerwillig folgte. Sie war offensichtlich total irrational, was diese Adoption anging. Vielleicht würde es sie ja so weit beruhigen, dass sie allmählich wieder zu Verstand kam.
Sean sah Charlotte mit fest zusammengepressten Lippen durchdringend an. Sie erwiderte seinen Blick, ohne mit der Wimper zu zucken, und schob das Foto noch weiter zu ihm rüber.
Widerstrebend senkte Sean schließlich den Blick darauf. Als er das Gesicht des Kindes sah, stockte ihm der Atem. Wider Erwarten handelte es sich nicht um ein kleines Baby, sondern um ein etwa einjähriges kleines Mädchen, das tatsächlich wunderschön war. Und nicht nur das: Mit ihrem lockigen braunen Haar, den großen Augen und der hellen Porzellanhaut war sie das Ebenbild seiner Frau. Das Kinn und ihr ruhiger Blick hingegen erinnerten ihn an … sich selbst.
Sie könnte Charlottes Kind sein … und meins, dachte Sean und spürte, wie etwas von seinem inneren Widerstand zusammenbrach. Niemand, der sie drei zusammen sah, würde bezweifeln, dass Charlotte und er die biologischen Eltern waren.
Die Kleine sah so ernst aus. Unwillkürlich stellte Sean sich vor, wie er sie zum Kichern bringen würde – so wie er Charlotte schon oft mit einer witzigen Bemerkung zum Lachen gebracht hatte. Aber leider hatte er nicht die geringste Ahnung, wie man das bei kleinen Kindern anstellte. Bei seiner Vergangenheit würde er sie bestimmt eher zum Weinen bringen. Dann würde Charlotte sie in die Arme nehmen und trösten, und er wäre der böse Außenseiter …
Diese Vorstellung bestärkte Sean darin, an seinem Widerstand festzuhalten. Er wollte lieber riskieren, jetzt allein zu bleiben, als später ausgestoßen zu werden.
„Du willst mir nicht helfen, oder?“, fragte Charlotte traurig. Langsam stand sie auf und griff mit zitternder Hand nach dem Foto. Tränen standen ihr in den Augen.
Sean beschloss, Charlotte zu sagen, warum er ihr nicht helfen konnte. Sie sollte ihn verstehen und seine Gründe akzeptieren. Doch was er dann tat, traf ihn genauso unvorbereitet wie sie: Er griff nach ihrer Hand, um sie davon abzuhalten, das Foto wegzunehmen. Und schließlich machte er ihr den einzigen Vorschlag, den er ihr guten Gewissens machen konnte: „Na schön, wenn es dir wirklich so viel bedeutet, dieses Kind zu adoptieren, dann werde ich dir dabei helfen.“
„Oh, Sean!“
Ihr strahlendes Lächeln versetzte ihm einen schmerzhaften Stich. „Allerdings nur unter einer Bedingung“, fügte er kalt hinzu.
Ihr Lächeln erlosch. „Welcher denn?“, fragte sie verwirrt.
Sean zögerte einen Moment. „Ich werde dir nur unter der Bedingung helfen, dass unsere Ehe beendet ist, sobald du mit dem Kind in Mayfair bist. Dann werde ich sofort die Scheidung einreichen.“
3. KAPITEL
Charlotte starrte Sean fassungslos an. Das Echo seiner Worte hallte in der hell erleuchteten Küche wider, untermalt von dem stetigen Prasseln des Regens gegen das Küchenfenster.
Nach der emotionalen Achterbahnfahrt in den letzten Stunden war ihr ganz schwindlig. Auf anfängliche Hoffnung waren kurz nacheinander Enttäuschung, Freude und Verwirrung gefolgt – und jetzt kam plötzlich die traurige Erkenntnis hinzu, dass Sean ihre Ehe anscheinend als gescheitert betrachtete.
Charlotte war drauf und dran, sich geschlagen zu geben, das Foto einzustecken, und zurück nach Mayfair zu fahren. Sie wusste, wenn Sean erst einmal eine Entscheidung getroffen hatte, änderte er sie nur sehr, sehr selten. Er war alles andere als wankelmütig. Die sechs Monate, die er in New Orleans statt bei ihr in Mayfair gelebt hatte, waren der beste Beweis dafür. Schade nur,
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