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Nur Mut, liebe Ruth

Nur Mut, liebe Ruth

Titel: Nur Mut, liebe Ruth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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Weitsprung mit oder ohne Anlauf? Na also.
Der Anlauf macht es. Man muß bloß tüchtig Schwung nehmen. Alles andere ist eine
Kleinigkeit.“
    „Ich hätte Angst“, gestand Ruth
leise.
    „So ein Unsinn!“ Katrin lachte.
„Wenn du Angst hast, dann mach doch einfach die Augen zu!“
    Während alle anderen zum
Umkleideraum hin drängten, stand Ruth ganz in sich versunken da. Es arbeitete
in ihr. Und plötzlich, ehe sie noch selber wußte, was sie tat, rannte sie zum
Sprungbrett hin.
    „Seht her!“ schrie sie.
    Sie wußte, daß alle
stehenblieben, sich umwandten und sie anstarrten, aber sie sah es nicht mehr,
denn sie hatte schon die Augen geschlossen und lief los.
    „Ruth!“ rief Fräulein Freysing
ganz entsetzt.
    Da öffnete sie doch die Augen.
Sie war nur noch einen Schritt vom Wasser entfernt, das tief, viel tiefer als
vom Rand aus, unter ihr lag, und erschrak furchtbar. Sie wollte stoppen, aber
sie war so in Schwung, der ihren Körper zum Kopfsprung vorwärts warf, daß es
unmöglich war. Sie sprang und versuchte gleichzeitig, sich zurückzureißen, und
das Ergebnis war, daß sie, zappelnd und strampelnd, mit einem gewaltigen
Klatsch mit dem Bauch zuerst auf der Wasseroberfläche aufschlug und wie ein
Stein unterging.
    Ihr wurde schwarz vor Augen,
sie verlor die Besinnung.
    Im selben Moment sprangen
Leonore und Katrin vom Rand aus ins Becken. Leonore die Füße voran und Katrin mit
einem Kopfsprung. Ohne daß Fräulein Freysing es ihnen gesagt oder sie es
miteinander abgesprochen hätten, tauchten sie nach Ruth und bekamen sie zu
packen, als sie gerade wieder nach oben getrieben wurde.
    Sie hatten noch niemals einen
Rettungsschwimmerkursus mitgemacht, aber dennoch verhielten sie sich ganz
richtig. Katrin griff Ruth unter den einen und Leonore unter den anderen Arm,
und so zogen sie sie zwischen sich zum Rand des Beckens. Ruth hatte ihre
Bademütze verloren, ihre Locken hatten sich aufgelöst, und ihr schönes blondes
Haar floß dunkel vor Nässe um ihr totenblasses Gesichtchen.

    „Sie ist ertrunken!“ schrie
Olga und begann zu schluchzen, denn blitzartig war ihr eingefallen, daß das
alles wohl nicht passiert wäre, wenn sie und Silvy die Kleine nicht so geärgert
hätten.
    Auch Silvy hatte ein denkbar
schlechtes Gewissen. Sie sprang ins Wasser und half mit, Ruth zu Fräulein Freysing
hochzuheben, die am Beckenrand kniete und nach ihr griff.
    „Unfug“, sagte die Lehrerin.
„So schnell ertrinkt man nicht. Sie hat nur einen Schock bekommen.“ Aber auch
sie war blaß unter ihrer braunen Haut geworden, als sie sich über Ruth beugte,
die jetzt langgestreckt auf den Fliesen lag.
    Katrin war heraufgeklettert.
„Vielleicht sollte man Wiederbelebungsübungen machen“, schlug sie vor.
    Fräulein Freysing richtete sich
auf. „Sag mal, Katrin, hast du der Kleinen eingeredet, daß sie diesen Blödsinn
machen sollte?“
    „Ich!?“ Katrin tippte sich
verblüfft auf die Brust. „Nein, bestimmt nicht! Sie hat mich nur gefragt, und
da habe ich ihr gesagt, daß es ganz leicht wäre! Ich konnte doch nicht ahnen,
daß sie es selber versuchen würde!“
    Nein, das konnte Katrin wirklich
nicht, das sah auch die Lehrerin ein; weder sie noch eine von Ruths
Mitschülerinnen hätten ihr eine solche Tollkühnheit zugetraut.
    „Steht hier nicht herum,
sondern verschwindet in die Kabinen und zieht euch an!“ sagte Fräulein
Freysing.
    In diesem Augenblick schlug
Ruth die Augen auf. „Wo bin ich?“ fragte sie.
    „Ja, weißt du das denn wirklich
nicht?“ schrie Katrin. „In der Schwimmhalle... du hast gerade eben einen
Kopfsprung mit Anlauf vom Brett versucht!“
    „O je“, sagte Ruth und schloß
schaudernd die Augen.
    Alle lachten, so erleichtert
waren sie.
    „Wie fühlst du dich?“ fragte
Fräulein Freysing. „Hast du Schmerzen?“
    „Nein“, sagte Ruth, „ich bin
nur ein bißchen... benommen.“ Ihre Erinnerung war blitzschnell wieder
zurückgekehrt, und gerade rechtzeitig fiel ihr ein, daß in der übernächsten
Stunde eine Mathematikarbeit geschrieben werden sollte. „Lernen kann ich wohl
heute nichts mehr“, erklärte sie mit schwacher Stimme und faßte sich an den
Kopf.
    „Das sollst du auch nicht“,
sagte Fräulein Freysing sofort, „ich werde dich jetzt in meinem Auto nach Hause
bringen. Hoffentlich kannst du aufstehen.“
    „O doch“, sagte Ruth und
richtete sich auf.
    Katrin und Fräulein Freysing
halfen ihr auf die Beine.
    „Danke“, sagte Ruth, „danke“.
Und mit einem schwachen

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