Nur wenn du mich hältst (German Edition)
die Sonne malte goldene Muster auf die strahlend weiße Landschaft. Nur schade, dass es so eisig war. Die beheizten Sitze und die Wärme aus dem Gebläse bewahrten sie jedoch davor, sich zu Tode zu frieren, während sie mit offenem Verdeck und aufgedrehtem Radio zu einem Song von Stevie Ray Vaughan den Hügel hinunterfuhren. Einige Passanten schauten konsterniert.
Ein paar Minuten lang fühlte Bo sich beinahe glücklich. Das hatte er nicht erwartet. Diese Freude. Dieses Gefühl der Verbundenheit. Was AJ durchmachen musste, war schlimm, und er würde alles tun, um es zu richten, doch für diesen kurzen Moment im Sonnenschein mit seinem Jungen war er glücklich.
„Natürlich ist es nicht schön, dass wir uns unter diesen Umständen treffen“, sagte er, „aber ich habe dich schon immer kennenlernen wollen.“
„Warum hast du es dann nicht getan?“ Die Frage war einfach, direkt und verheerend. „So schwer ist das nicht.“
„Deine Mom hielt es nicht für eine gute Idee. Das habe ich respektiert.“ Es steckte viel mehr dahinter, er glaubte jedoch nicht, dass AJ das alles jetzt bereits hören sollte.
Er stellte das Radio noch ein wenig lauter. Als sie um eine Kurve bogen, wurde sein Blick von einer langbeinigen Rothaarigen angezogen, die ein Stück die Straße hinunter aus einer Boutique namens Zuzu’s Petals kam. Sie hatte eine große Einkaufstüte in der Hand. Er verspürte einen Anflug von Interesse. Könnte es sein? überlegte er. Nein, sagte er sich. Reines Wunschdenken.
7. KAPITEL
Kim kam gerade aus der Boutique, da erregte der Bass eines Autoradios ihre Aufmerksamkeit. Sie hatte sich bei Zuzu’s Petals mit dem Nötigsten eingedeckt – Thermounterwäsche, Wollhosen und ein paar Pullover. Eine Jeans, die Stiefel und die neue Jacke hatte sie gleich anbehalten und fühlte sich nun bereit, sich mit offenen Armen in die Natur zu stürzen. Das hatte sie im sonnigen Kalifornien vermisst, klare weiße Winter, das Schlittschuhlaufen und Snowboardfahren.
Sie hatte noch nie mit Wintersportlern zusammengearbeitet. Nur einmal beinahe – man hatte ihr Newton Granger zugeteilt, einen Eishockeyspieler, dem so viele Zähne fehlten, dass er klang, als hätte er einen Sprachfehler. Obwohl er sich jeden Tag den Gefahren auf dem Eis aussetzte, hatte er fürchterliche Angst vor dem Zahnarzt. Kim hatte versucht, das Image eines starken, schweigsamen Mannes zu entwerfen, doch er neigte dazu, oft und spontan zu grinsen, was dank der Zahnlücke äußerst albern aussah und alle ihre Bemühungen zunichtemachte.
Sportler, dachte sie. Nie wieder. Sie war auf dem Weg zu größeren und besseren Zielen. Noch war sie nicht sicher, welche das waren, aber das würde sie schon herausfinden.
Der Verursacher des dröhnenden Basses entpuppte sich als flacher Sportwagen mit offenem Verdeck, der gerade um die Ecke bog. Das Sonnenlicht spiegelte sich im Lack des Cabrios, das eher aussah, als gehöre es nach Malibu als in den tiefsten Winter im Staate New York.
Der Fahrer parkte vor dem Sport-Haus ein, einem Laden, der sich auf Winterkleidung und Wintersportausrüstungen spezialisiert hatte. Das schwarze Stoffverdeck fuhr hoch und versperrte kurz darauf den Blick auf die Insassen. Einen Augenblick später stieg ein hochgewachsener Mann aus. Sie meinte ihn zu kennen, doch sie wusste nicht, woher. Auf der Beifahrerseite tauchte ein halbwüchsiger Junge auf. Er trug eine viel zu lange Jacke, keine Mütze, hatte die Hände in die Taschen gesteckt und sah so verfroren aus, wie sie sich fühlte. Der Kleine schaute sich mit großen Augen um – wie ein Murmeltier, das den Kopf aus dem Erdloch steckte. Der Mann wirkte, als wäre er von der Sorte, die gute Mädchen nicht anziehend finden sollten. Fein, sie war also doch nicht völlig abgestumpft. Seine Art sich zu bewegen war locker und leicht und zeugte von Selbstbewusstsein. Kim kannte sich mit diesen Dingen aus. Es war ihr Job, das Image eines Menschen zu beurteilen, und – im Fall ihrer Klienten – es so aufzupolieren, dass es einer öffentlichen Person würdig war.
Während des Einkaufens hatte sie Hunger bekommen – das erste Mal seit dem Vorfall in L.A. Die Gerichte auf der Party hatten aus winzigen Portionen Gemüse-Timbale sowie Feldsalat in Champagner-Vinaigrette und Trüffelöl bestanden.
Zum Teufel mit der Diät, sagte sie sich und ging zur Sky River Bakery, dem ältesten und unbestritten beliebtesten Laden am Markt. Es hatte nicht einen Besuch in Avalon gegeben, bei dem sie
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