Nur wenn du mich hältst (German Edition)
mit dem Anstrich fertig geworden. Ich wollte dir Bilder schicken, bin aber noch nicht ganz dahintergekommen, wie man sie per E-Mail versendet. Wie findest du es?“
Es gab keine Worte dafür. Das eigentliche Gebäude hatte sich nicht verändert. Das weitläufige Grundstück, das im Moment unter einer rekordverdächtig hohen Schneedecke begraben lag, war auch nicht merklich umgestaltet, abgesehen davon, dass einige der größeren Büsche in Form geschnitten worden waren.
Die Fassade des Hauses war jedoch eine ganz andere Geschichte. Das Fairfield House, an das Kim sich erinnerte, das Heim, in dem ihre Großeltern gelebt hatten, war in zurückhaltendem Weiß mit schlichten schwarzen Akzenten gestrichen gewesen. Jetzt erstrahlte es in allen Farbschattierungen, die nirgendwo in der Natur zu finden waren. Farben, die überhaupt nirgendwo vorkamen, außer vielleicht in Barbies Traumhaus.
Kim blinzelte, doch das Bild wollte nicht verschwinden. Sie konnte den Blick nicht von der grellen Fassade lösen. Mit seiner Rotunde, den Türmchen und Giebeln sah es aus wie eine Hochzeitstorte. Das Kutscherhäuschen und der Gartenpavillon strahlten in Lavendel und Fuchsia und hoben sich krass vom weißen Schnee ab.
Vielleicht war es nur die Grundierung. Die hatten manchmal seltsame Farben, oder? „Tut mir leid, Mom, hast du gesagt, ihr seid mit dem Anstrich fertig geworden?“
„Ja, endlich. Die Hornets haben den ganzen Sommer gebraucht.“
Ihre Mutter stellte den Wagen auf der überdachten Einfahrt neben dem Seiteneingang ab. Die korallenroten Zierleisten waren mit limonengelben Akzenten versehen, und das gewölbte Dach des Carports strahlte in Himmelblau.
„Die Hornets haben das Haus gestrichen“, wiederholte Kim.
„Ja, genau. Die Spieler sind immer auf der Suche nach Arbeit. Und sie haben es großartig gemacht, findest du nicht?“
Die Hornets waren Avalons Baseballteam, ein professioneller Club, der in der Can-Am-Liga spielte. Als sie vor Jahren hier ankamen, waren sie mit offenen Armen empfangen worden, verwandelten sie doch den schläfrigen Ort am See in eine echte Baseballstadt. Die Mannschaft hatte nur ein geringes Budget und war auf örtliche Unterstützung angewiesen. Deshalb boten die Familien neben moralischem Beistand auch immer wieder kleine Jobs, Zimmer und Mahlzeiten an.
„Mom, gibt es nicht irgendeine Nachbarschaftsvereinbarung, die den Einsatz von grellen Farben verbietet?“
„Ganz sicher nicht“, erwiderte Penelope. „Und wenn doch, hat es mir keiner gesagt.“
Kim betrat das Haus. Das schwindelig machende Farbkaleidoskop beschränkte sich nicht nur auf das Äußere. Die Wände in der Eingangshalle und die geschwungene Treppe, die in den ersten Stock hinaufführte, waren genauso bunt.
Ihre Mutter hängte ihren Mantel in den Garderobenschrank. „Die Farbtöne sind ein wenig übertrieben, findest du nicht?“
„Ja, ein wenig.“
„Ich dachte nur, wenn ich schon mit Farbe arbeite, dann auch richtig.“
Kim brachte ein Lächeln zustande. „Das ist ein schönes Lebensmotto.“
„Um ehrlich zu sein, es war eine rein finanzielle Entscheidung“, sagte ihre Mutter. „Das sind alles Nuancen, die aus dem Programm gestrichen worden sind, deshalb haben sie mich kaum etwas gekostet. Ich habe einfach ein wenig hiervon genommen und ein wenig davon … und ich habe die Maler ermuntert, kreativ zu sein.“
Es gab vermutlich Schlimmeres als von Baseballspielern zusammengestellte Farben, aber im Moment wollte Kim nichts einfallen.
„Wo wir gerade von Fehlern sprechen, bist du sicher, dass das mit Lloyd endgültig ist?“, fragte ihre Mutter.
Das war ihre Hauptaufgabe gewesen – Lloyd und ihre anderen Kunden als nette Menschen darzustellen, als sympathisch und ihrer exorbitanten Gagen wert. Manchmal war sie in ihrem Job so gut, dass es unmöglich war, die öffentliche Person vom Privatmenschen zu trennen. Vielleicht hatte sie deshalb die Sache mit Lloyd nicht kommen sehen. Sie fing an, den Hype zu glauben, den sie selbst verursacht hatte.
„Kimberly?“
Die Stimme ihrer Mutter ließ sie aus ihren Gedanken hochschrecken. „Absolut“, sagte sie. „Es ist ein für alle Mal vorbei.“ In diesem Moment traf sie der Schock wie ein Schlag in den Magen, und sie fing an zu zittern.
„Du bist ja weiß wie ein Gespenst.“ Ihre Mutter nahm sie am Arm und sorgte dafür, dass sie sich auf die Bank in der Eingangshalle setzte. „Kann ich dir etwas bringen?“
Die Worte klangen, als kämen sie durch ein
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