Nur wenn du mich hältst (German Edition)
in Boca Raton. Außerdem gab es ein umfangreiches Aktiendepot. Oder nicht?
„Bist du sicher?“, fragte sie.
„Das habe ich den Anwalt und den Nachlassrichter auch gefragt. Auf der Wohnung lastete eine zweite Subprime-Hypothek, die kurz davor war, auf zwölf Prozent aufgeblasen zu werden. Das Haus in Montauk und der Bungalow in Largo wurden zwangsversteigert. Aktien und Ersparnisse waren nicht existent. Mir gehörte dieses abbezahlte und unbelastete Anwesen, weil meine Eltern es mir hinterlassen haben, aber das war auch alles.“
„Mom, das tut mir so leid. Ich hatte ja keine Ahnung.“ Jetzt fühlte Kim sich von zwei Männern betrogen, denen sie vertraut hatte, zwei Männer, von denen sie dachte, sie zu kennen.
„Hatte ich auch nicht.“
„Als Dad noch am Leben war, hast du nicht mal einen Verdacht gehabt?“
Das Lächeln ihrer Mutter wirkte bitter.
„Nein, gar nichts. Ich war so dumm und habe mich nie um Einblick in unsere Finanzen bemüht.“
„Du warst nicht dumm, Mom. Du hattest allen Grund, ihm zu vertrauen. Aber … bist du dir sicher, dass Untermieter aufzunehmen die Lösung ist?“
„Glaube mir, ich habe jeden Stein umgedreht. Du darfst nicht vergessen, dass es ungefähr hundert Jahre her ist, dass ich meinen Abschluss in Frauenforschung gemacht habe. Ich war nie berufstätig und verfüge über keinerlei Fähigkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt gesucht werden. Ich musste entweder zu verzweifelten Maßnahmen greifen oder ich wäre in Zahlungsverzug geraten und gezwungen gewesen, Fairfield House zu verkaufen.“
„Ich kann nicht glauben, dass Dad dir so einen Schlamassel hinterlassen hat. Wie ist es möglich, dass du nichts davon wusstest?“
„Weil“, sagte ihre Mutter und stand auf, „ich nicht erkannt habe, dass ich besser hätte hinsehen müssen.“
„Du hättest es mir eher erzählen sollen.“
„Ja. Es kam mir nur so grausam vor, dich mit all dem zu belasten. Es war schon schlimm genug, dass dein Vater so plötzlich gestorben ist. Ich wollte deine Trauer nicht noch verschlimmern.“
„Was ist mit deiner Trauer?“
„Ich habe sie mit Wut und Verbitterung zur Unterwerfung gezwungen“, sagte Penelope schlicht.
Kim war sich nicht sicher, ob das als Witz gemeint war oder nicht. Nach allem, was sie an diesem Vormittag erfahren hatte, war sie sich wegen gar nichts mehr sicher.
„Richard war ein Meister der Täuschung. Er hat die Leute nur das sehen lassen, was er sie sehen lassen wollte.“
Das stimmt, dachte Kim. Jeder hatte die gleiche Meinung von Richard van Dorn gehabt – dass er ein gebildeter und vermögender Mann war. In Manhattan wohnten sie in der „richtigen“ Gegend, und sie ging auf die „richtigen“ Schulen. Sie machten luxuriöse Ferien, und ihre Eltern hatten die Art von Partys und Veranstaltungen ausgerichtet und besucht, über die am nächsten Tag in den Klatschspalten der Zeitungen berichtet wurde. Die beiden waren Mitglieder in exklusiven Clubs und engagierten sich auf Wohltätigkeitsveranstaltungen. Wie war es ihm gelungen, zu verbergen, wie tief er sie in die Schuldenfalle getrieben hatte?
Wie sehr Dad das hassen würde, dachte sie. Er hätte die Vorstellung verachtet, dass seine Frau Untermieter aufnehmen, ihr Haus zahlenden Fremden öffnen musste. Vielleicht hätte er darüber nachdenken sollen, bevor er sich in Schulden gestürzt und ihr nichts weiter hinterlassen hatte als die Demütigung und den Herzschmerz. Seiner Frau, die nie an ihm gezweifelt, sondern immer an ihn geglaubt hatte. Doch irgendwie wirkte ihre Mutter gar nicht gedemütigt. Anstatt sich der Verzweiflung zu ergeben wie eine späte Jane-Austen-Heldin hatte Penelope Fairfield van Dorn sich kopfüber in ihr neues Projekt gestürzt.
Als sie in der vergangenen Nacht mit dem Taxi zum Flughafen gerast war, hatte Kim gehofft, bei ihrer Mutter ein wenig Frieden und das Gefühl von Sicherheit zu finden. Stattdessen fand sie ein Haus voller Fremder vor, das in sämtlichen Farben des Regenbogens gestrichen war. Ihr wurde bewusst, dass sie noch viel über ihren Vater lernen musste. Im Moment konnte sie jedoch kaum mehr geradeaus denken.
Nachdem sie nun vom finanziellen Desaster wusste, das den Umzug ihrer Mutter notwendig gemacht hatte, fragte sie sich, ob Penelope nur so tat, als würde es ihr hier gefallen. Ob sie nur so tat, als wäre die Verwandlung ihres Elternhauses in eine Pension ein etwas skurriles, aber erfrischendes Abenteuer.
Jetzt erst verstand sie, wie radikal sich das Leben
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