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Nur wenn du mich hältst (German Edition)

Nur wenn du mich hältst (German Edition)

Titel: Nur wenn du mich hältst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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in seinem Leben.
    Er hatte sich Yolandas Anruf wieder und wieder durch den Kopf gehen lassen. Dass sie sich überhaupt bei ihm gemeldet hatte, war schon ungewöhnlich genug. Im Laufe der Jahre rief sie ihn nur drei Mal an, um ihm von AJs Geburt zu berichten, ihm anzukündigen, dass sie einen Kerl namens Bruno heiraten würde und – vergangenes Jahr – um ihn darüber zu informieren, dass sie sich scheiden ließ.
    In seinem eigenen Interesse war er nur zu bereit gewesen, sich ihren Wünschen zu beugen, sein Scheckbuch zu öffnen und den Mund geschlossen zu halten. Er hatte nicht die geringste Ahnung davon, wie es war, jemandes Vater zu sein, aber er wusste, wie man Geld verteilte.
    Und dann am vergangenen Tag der dringliche Anruf, der ihm keine Wahl ließ. „Gott sei Dank, dass du rangehst“, hatte sie mit einer Stimme gesagt, an die er sich kaum noch erinnerte.
    „Yolanda?“
    „Ich stecke in Schwierigkeiten, Bo. Auf der Arbeit gab es eine Razzia. Ich bin in der Erfassungsstelle der INS in Houston.
    „Der INS?“ Er brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, dass sie vom Immigration and Naturalization Service sprach, der Einwanderungsbehörde. Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. „Zum Teufel, Yolanda, was hast du da zu suchen?“
    „Ich habe keine Zeit, es dir zu erklären“, sagte sie. „Ich darf eigentlich gar nicht telefonieren, doch ich bin verzweifelt, Bo. Ich wurde inhaftiert.“
    Er war sich nicht sicher, was das zu bedeuten hatte, aber es konnte nichts Gutes sein. „Wie eine illegale Einwanderin? Hattest du mir nicht erzählt, du wärst in den USA aufgewachsen?“
    „Bin ich auch. Sie behaupten jedoch, ich wäre nicht erfasst, und ich kann ihnen nicht das Gegenteil beweisen.“
    Beim Klang ihrer zitternden Stimme zuckte er innerlich zusammen. Es gab kaum etwas, das ihn stärker traf, als eine Frau, deren Herz brach. Tatsächlich konnte er sich, was Yolanda Martinez anging, nicht an sonderlich viel erinnern, doch das Wichtigste hatte er nicht vergessen, dass sie ein weiches Herz und wunderschöne Augen hatte. Dass sie füreinander jeweils die erste große Liebe gewesen waren. Dass sie ihn lehrte, dass Liebe allein niemanden vor Schmerz schützte.
    „Was meinst du mit ‚das Gegenteil beweisen‘?“, wollte er wissen. „Ich bin bisher nicht einmal gebeten worden, zu beweisen, dass ich Staatsbürger der USA bin.“ Noch während er die Worte aussprach, wusste er, dass er sich absichtlich ignorant gab. Hellhaarige, blauäugige Menschen weißer Hautfarbe wurden nicht gefragt, ob sie Amerikaner waren. Solche Fragen blieben den Leuten mit dunklem Teint und hispanischem Nachnamen vorbehalten – wie Yolanda Martinez. „Okay“, sagte er. „Dann kläre sie einfach auf. Zeige denen die Papiere, die sie brauchen, und alles ist gut.“
    „Ich habe keine Papiere. Weißt du nicht mehr, wie es damals geendet hat … Wie meine Eltern waren?“
    Er erinnerte sich daran, dass sie das einzige Kind ultrakonservativer Eltern war. Mit siebzehn schwanger zu sein, hatte die Beziehung zu ihnen schwer belastete und dazu geführt, dass sie sich immer stärker entfremdet hatten. Ihr Vater war vor ein paar Jahren gestorben, und ihre Mutter war nach Nuevo Laredo zurückgezogen, ihren Heimatort in Mexiko, am Texas gegenüberliegenden Ufer des Rio Grande.
    Yolanda hatte keine Zeit gehabt, die Umstände näher zu erklären, und auf einmal war er ein Teil dieser Situation. Obwohl sie ihm leidtat, spürte er auch Ärger in sich aufsteigen, den er jedoch vor AJ verbarg. Der Junge hatte schon genügend Probleme und musste nicht wissen, dass seine Mutter alles vermasselt hatte. Das Letzte, was er wollte, war, dass AJ eine schlechte Meinung von ihr bekam.
    Yolanda war bei der Razzia in ihrer Firma mit einer großen Gruppe Schwarzarbeiter eingesammelt worden und hatte behauptet, niemanden außer ihm zu haben, an den sie sich wenden konnte. „Ich werde in ein Untersuchungsgefängnis verlegt“, hatte sie mit vor Angst zitternder Stimme gesagt. „AJ ist in der Schule …“
    Schnell hatte sie verstohlen den Rest der Geschichte erzählt. Die Razzia wurde völlig überraschend durchgeführt. Siebzig Arbeiter ohne Papiere transportierte man ab. Viele von ihnen hatten in Amerika geborene Kinder, die allein zu Hause zurückblieben und von ebenfalls illegal hier lebenden Verwandten aufgenommen wurden oder unter Aufsicht der Jugendfürsorge gerieten.
    AJ hat niemanden, hatte Yolanda schluchzend erklärt. Er war ein Einzelkind

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