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Nur wenn du mich hältst (German Edition)

Nur wenn du mich hältst (German Edition)

Titel: Nur wenn du mich hältst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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einen feuchten Keksklumpen auf dem Pullover kleben.
    „Oh Charlie“, sagte sie. „Das ist der Pulli, den Grandma O’Donnell für dich gemacht hat, und sie wird heute Abend auch da sein.“ Seine Großeltern väterlicherseits waren extra von Long Island angereist, um ihn zu besuchen. Daisy schnappte sich einen Schwamm und versuchte den Fleck rauszuwischen, aber sie machte es nur noch schlimmer. Charlie plapperte gut gelaunt vor sich hin und packte mit seiner keksverschmierten Hand die Vorderseite ihrer Bluse, sodass sie nun beide schmutzig waren.
    „Ist schon okay“, sagte sie durch zusammengebissene Zähne.“ Machen wir doch alles dreckig.“ Sie zog ihm dem Pullover aus und schaffte es, ihm dabei noch mehr klebrigen Keks über Gesicht und Haare zu schmieren. Mit der Geduld beinahe am Ende, putzte sie ihn so gut es ging ab, wusch seine und ihre Hände und suchte saubere Oberteile für sie beide heraus. So viel zum Thema sich schick machen für die Feier oder dazu, zur Abwechslung mal pünktlich zu sein.
    „So sollte mein Leben nicht aussehen.“ Sie beeilte sich, zum Auto zu kommen, bevor noch etwas dazwischenkam.
    „Nein“, stimmte Charlie mit seinem aktuellen Lieblingswort zu.
    „Wenigstens sind wir hierin einer Meinung. Ich schwöre dir, Charlie, manchmal …“ Sie sprach den Satz nicht zu Ende. Obwohl ihr Sohn zu klein war, um sie zu verstehen, wollte sie nicht, dass er hörte, wie sie sich beschwerte. Sie schnallte ihn in seinem Kindersitz fest und fuhr dann auf der Seestraße entlang zum Camp Kioga. An Tagen wie diesen fühlte sich ihr Leben zu viel an. Sie hatte ihre Arbeit als Fotografin. Und Charlie. Und das College. Und Charlie. Immer Charlie. Er war ihr Ein und Alles, und die Liebe, die sie für ihn empfand, war in ihrer Intensität beinahe beängstigend, aber die Verantwortung war erbarmungslos und hörte nie auf. Charlie erwachte ohne Ausnahme bei Anbruch der Morgendämmerung, und sobald ihr Tag einmal angefangen hatte, gab es keine Pause für sie. Niemals, nicht ein einziges Mal, hatte sie sich vorgestellt, dass es leicht war, alleinerziehende Mutter zu sein, doch manchmal wünschte sie, sie könnte sich zu einer Kugel zusammenrollen und dem allen eine Weile entfliehen. Mit einem aktiven Kleinkind war das allerdings keine Option.
    Sie schüttelte ihre miese Stimmung ab, indem sie sich auf die Schönheit des Dämmerlichts konzentrierte. Die Bäume bogen sich unter der Last des frisch gefallenen Schnees über die Straße und sorgten so für einen Tunneleffekt. Als sie um eine Kurve bog, erleuchteten ihre Scheinwerfer die weite, schneebedeckte Oberfläche des Sees. Die Uhr am Armaturenbrett zeigte, dass sie nur zwanzig Minuten zu spät kamen. Das war gar nicht mal so schlecht.
    Ihre Cousine Olivia und deren Mann Connor hatten Camp Kioga umgebaut. Das rustikale Resort befand sich seit Generationen im Besitz der Familie und war dank der beiden von einem reinen Sommercamp zu einem Ganzjahresausflugsziel geworden. Olivia und Connor gaben eine Abschiedsparty für Connors Bruder Julian Gastineaux. Julian fuhr für ein spezielles ROTC-Training nach South Carolina. Er erzählte den Leuten immer, er hätte sich für die Ausbildung zum Reserveoffizier entschieden, um sein Studium zu finanzieren, sie wusste aber, dass es noch einen anderen Grund gab. Julian liebte es, gefährliche Dinge zu tun – Fallschirmspringen, Schießübungen, Feldmanöver. Er freute sich darauf, ganze Nächte im Freien zu verbringen und für mögliche Heckenschützenangriffe zu trainieren.
    Alles an Julian Gastineaux fesselte sie, und zwar schon sehr lange. Seit ihrem ersten gemeinsamen Sommer vor ein paar Jahren war sie halbwegs verliebt in ihn, aber sie hatte dumme Dinge getan, wie mit einem anderen Jungen zu schlafen, schwanger zu werden, ein uneheliches Kind zu bekommen. Manchmal glaubte sie, Julian wollte sie auch lieben, doch sie ließ ihn nicht. Er war kurz davor, seinen Traum zu leben, und in dem hatte sie keinen Platz. Es hatte nicht viel Sinn, sich Träumereien hinzugeben. Julian hatte den Weg aufs College und einer Karriere beim Militär eingeschlagen, einen Weg, der weit von ihr wegführte.
    Die Straße zum Camp hinauf war geräumt und gut beleuchtet. Daisy stellte den Wagen ab, schulterte ihre Taschen und hob Charlie aus seinem Sitz. Er bestand darauf, in seinen kleinen Stiefeln alleine zum Hauptgebäude zu gehen, wodurch sie gute fünf Minuten für den Weg brauchten. Mit einem Kleinkind dauerte alles zehnmal länger

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