Nur wenn du mich hältst (German Edition)
als normal. Daisy hielt sich eigentlich für einen sehr geduldigen Menschen, aber manchmal ertappte sie sich dabei, wie sie ihn ungeduldig drängte, sich zu beeilen.
Als sie schließlich ankamen, war die Feier bereits in vollem Gange, die Luft war erfüllt von Musik und Fetzen der Unterhaltungen. Im großen Kamin flackerte ein Feuer und tauchte alles in bernsteingelbes Licht. Daisy stellte ihre Taschen ab und hängte ihre und Charlies Jacke an die Garderobe bei der Tür. Sie sah ihre Cousine Jenny und deren Ehemann Rourke, aber die zwei bemerkten sie nicht. Sie hielten Händchen und sprachen miteinander. Jennys sehr schwangere Silhouette wurde von hinten vom Feuer erleuchtet. Daisy war ein wenig neidisch. Die beiden bekamen ein Kind so, wie es sich gehörte – gemeinsam. Sie waren Partner, die einander bei der beängstigenden, aufregenden Geburt unterstützten, bei den nächtlichen Stillsitzungen und den nicht enden wollenden Wäscheladungen. Sie würden all die Momente teilen, die sie alleine erlebt hatte: das erste Lächeln ihres Babys, den ersten Zahn, die ersten wackligen Schritte. Sie gönnte es ihnen, aber manchmal war die Sehnsucht nach all dem so groß, dass sie zu einem körperlichen Schmerz wurde.
Herzhaftes Lachen erhob sich von der Bar, und Gläser wurden klirrend aneinandergestoßen. Charlie war von der lauten Menschenmenge eingeschüchtert und klammerte sich an ihre Beine. Sie nahm ihn hoch und setzte ihn sich auf die Hüfte. Die Bewegung war inzwischen so natürlich für sie wie zu atmen. „Ist schon gut, mein Schatz“, sagte sie. „Das sind unsere Freunde und unsere Familie, und alle hier sind deinetwegen ganz gaga.“
„Gaga“, wiederholte er.
Sie ließ den Blick über die Leute an der Bar gleiten, entdeckte Julian und nahm sich noch einen Moment Zeit, um ihn zu beobachten. Ihre Reaktion auf ihn war immer dieselbe – das klopfende Herz, der nervöse Magen.
Sein rasierter Schädel war ein Schock für sie. Die schönen zügellosen Dreadlocks einfach abgeschnitten. Andererseits betonte der neue Look seine unglaublichen Wangenknochen, den sinnlichen Mund, die dunklen Augen und die kaffeebraune Haut.
Als würde er ihren Blick spüren, drehte Julian sich um. Ein Lächeln, das pure Freude ausdrückte, erhellte sein Gesicht, und er bahnte sich einen Weg quer durch den Raum zu ihr. Ein paar Sekunden lang gab Daisy sich einem Tagtraum hin: Er würde auf sie zukommen, sie in seine Arme ziehen, sie herumwirbeln und erklären, dass er sie liebte. Stattdessen umarmte er sie nur kurz.
„Hey, Daze“, sagte er und zerzauste Charlies daunenweiches rotes Haar. „Hey Kurzer. Wie geht es dir?“
Charlie versteckte sein Gesicht an ihrem Hals.
„Muss der Haarschnitt sein“, sagte Julian. „Komm, ich hole dir was von der Bar. Willst du ein Bier?“
„Gerne.“ Sie waren beide gerade erst einundzwanzig geworden. In einem Raum mit ihrem Vater, ihren Onkeln und Tanten und ihren Großeltern Alkohol zu trinken fühlte sich ein wenig seltsam an, doch sie nahm die eiskalte Flasche Utica Club trotzdem und stieß mit Julian an. „Cheers“, sagte sie. „Du bist bestimmt schon ganz aufgeregt, oder?“
„Total. Aber Daisy …“ Er wurde ernst, und das fröhliche Funkeln verschwand aus seinen Augen. „Ich werde dich vermiss…“
„Da!“
Charlie fing an, sich aus ihrem Griff zu winden, wobei er die Bierflasche anstieß, sodass sie beide Spritzer abbekamen. „Da!“, sagte er erneut und wollte von ihrem Arm herunter.
Noch bevor sie sich umdrehte, wusste Daisy, wer gerade gekommen war. Es gab nur eine Person, auf die Charlie so reagierte. „Hey, Logan“, begrüßte sie den Vater ihres Kindes.
Charlie schmiss sich ihm förmlich in die Arme. Das rote Haar und den sonnigen Blick aufs Leben hatte er definitiv von seinem Vater geerbt. Logan war in beinahe allem das genaue Gegenteil von Julian. Vielleicht hatte sie deshalb damals mit ihm geschlafen, als sie wütend und dumm gewesen war.
Logan schnappte sich seinen Sohn und wirbelte ihn durch die Luft. „Hey, großer Junge“, sagte er und grinste, dann begrüßte er sie und Julian.
Es folgte ein unangenehmer Moment, in dem er die Bierflaschen in ihren Händen anstarrte. Er war trockener Alkoholiker, aber es zu bleiben war ein täglicher Kampf für ihn.
„Warum nimmst du ihn nicht mit zu deinen Leuten?“, fragte Daisy und ließ die Hand mit der Flasche sinken, was dumm war. Er hatte ihr schon oft gesagt, dass er nicht von ihr erwartete, in seiner
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