Nur wenn du mich hältst (German Edition)
sie war wunderschön. Da war es egal, dass sie ihm, seit er vor ihrer Tür aufgetaucht war, ihr Desinteresse unmissverständlich zu verstehen gab.
„Hey“, sagte er.
„Guten Morgen.“
In Jeans und Pullover mit noch feuchten Haaren sah sie verletzlich, beinahe zerbrechlich aus.
„Bedienen Sie sich, es ist reichlich Frühstück da.“
„Danke.“ Er nahm sich eine Orange aus dem Obstkorb und stellte sich an die Spüle, um sie zu schälen.
„Geht es AJ gut?“
„So gut es unter den gegebenen Umständen gehen kann. Aber danke, dass Sie fragen.“
Sie nickte und nahm ihren Kaffee mit ins Speisezimmer. Nach dieser kurzen Unterhaltung fühlte er sich ein wenig leichter. Sie schien ihm vorsichtig eine zweite Chance zu geben. Vielleicht hätte er ihr nicht sagen sollen, wie schön sie war, aber verdammt. Das wäre wie an einer Playboy -Ausklappseite vorbeizugehen und nicht stehen zu bleiben, um sie zu bewundern. Im Moment war der Playboy seine einzige Möglichkeit, so etwas wie eine Beziehung zu einer Frau herzustellen, denn ein Kind zu haben ließ ihm keine Zeit für Verabredungen.
Mit AJ lief es nicht so gut. Er kam nach unten, wollte jedoch nicht frühstücken. Ein paar Minuten später saß er auf dem Beifahrersitz des Z4, starrte aus dem Fenster und blieb verdächtig still, während sie in die Stadt fuhren, um ihn an der Schule anzumelden.
„Bevor ich hierhergezogen bin, um Baseball zu spielen, kannte ich Schnee nur von Fotos“, sagte Bo. „Warum jemand freiwillig hier wohnt, ist mir ein Rätsel.“
Sie kamen am Büro von „Peyton Byrne, Esq.“ vorbei, einem örtlichen Anwalt, auf dessen Kanzlei ein diskretes, handgeschriebenes Schild aufmerksam machte. Dieses Schild anzuschauen versetzte ihm immer einen leichten Stich. Im vergangenen Jahr hatte Byrne eine verrückte Frau vertreten, die eine Vaterschaftsklage gegen ihn angestrengt hatte, und er hatte Sophie Bellamy engagieren müssen, um das Ergebnis des Vaterschaftstests – natürlich negativ – vor Gericht geltend machen zu können. Nach AJ war er, was Empfängnisverhütung anging, sehr gewissenhaft geworden.
Bo entschied sich, diese Erinnerung nicht mit seinem Sohn zu teilen. Er würde sich allerdings gerne besser mit ihm verstehen, ihn ein wenig für sich gewinnen. Normalerweise fiel ihm das nicht schwer. Dank seiner Kindheit hatte er früh gelernt, seinen Charme einzusetzen, um zu bekommen, was er wollte. Das war oft die einzige Waffe gewesen, die ihm zur Verfügung gestanden hatte.
„Hier gibt es jeden Winter einen Jahrmarkt.“ Er zeigte auf den Blanchard Park, an dem sie gerade vorbeifuhren. „Sie bauen dann eine Eisskulptur, die so groß ist wie ein Haus. Dafür schneiden sie große Stücke Eis aus dem See.“
„Aha.“ AJ hielt den Blick weiter abgewandt. Sein Atem beschlug die Fensterscheibe.
„Hast du je das Buch Der letzte Mohikaner gelesen?“, fragte Bo. AJ mochte Bücher. Vielleicht ließ sich da eine Gemeinsamkeit finden.
„Nö.“
„Das ist von James Fenimore Cooper. Ich musste es auf der Highschool für den Englischunterricht durchackern. Und es tut mir leid, dir sagen zu müssen, dass es das grottenschlechteste, langweiligste Buch war, das mir je untergekommen ist. Es handelt von den Indianern, die hier gelebt haben, als die Franzosen und Engländer das erste Mal einen Fuß in dieses Land setzten. Sie hatten ein Wort für das große Wasser zwischen den bewaldeten Bergen – Glimmerglass . Die Geschichte hat mich nicht sonderlich interessiert, doch diesen Namen habe ich nicht vergessen. Ich kann mir vorstellen, wie die Menschen damals auf so eine Bezeichnung gekommen sind. Ich schwöre dir, im Sommer sieht der See genauso aus. Auf den Rest der Handlung hätte ich aber gut verzichten können. Normalerweise mag ich Bücher, in denen gekämpft wird, in diesem waren selbst die Schlachten langweilig. Alles drehte sich um einen weißen Kerl namens Natty Bumppo, der bei den Indianern lebte. Wie zum Teufel soll man jemanden mit so einem Namen ernst nehmen? Natty Bumppo, also wirklich.“
„Was ist daran komischer als an Bo?“
„Ha, du hast mich ertappt. Hey, hör mal, ich dachte, wenn wir mit dem Schulkram durch sind, könnten wir gemeinsam ins Fitnessstudio gehen. Ich muss im Training bleiben. Sechzig Würfe mindestens. Vielleicht gefällt es dir da. Da sind immer welche, die Basketball oder Poolbillard spielen. Außerdem haben sie eine tolle Snackbar. Was meinst du?“
„Klingt ganz okay.“
So viel dazu, das Kind
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