Nur wenn du mich hältst (German Edition)
beim entsprechenden Gericht eingereicht. Irgendjemand sucht in den Archiven nach Unterlagen über Yolandas Familie, doch Sophie hat mich gewarnt, dass das eine Weile dauern könnte.“
„Und so lange ist AJ bei Ihnen?“
„Richtig.“
„Er macht sich bestimmt fürchterliche Sorgen um seine Mom.“ Sie nahm an, dass dieser Vorfall auch Bos Pläne, die spielfreie Zeit zur Vorbereitung für die Yankees zu nutzen, durcheinanderbrachte. Entweder war ihm das noch nicht bewusst oder er verbarg dem Jungen zuliebe seine Unruhe.
„Er macht sich Sorgen, das stimmt“, sagte er. „Wie sollte er nicht? Er behält das jedoch alles für sich. Zumindest glaube ich das. Ich wünschte, ich würde ihn besser kennen.“
Die Situation der beiden faszinierte Kim nicht nur, sie rührte sie auch. Das war etwas, womit sie nicht gerechnet hatte, aber manchmal verstanden Menschen sich auf Anhieb auf einer tieferen Ebene. Das hatte nichts damit zu tun, wie lange sie einander schon kannten, sondern wie sehr sie sich füreinander interessierten. Sie fragte sich, ob er ebenfalls dieses Gefühl hatte.
„Und so lange wollen Sie hier wohnen“, sagte sie.
„Ja, Ma’am. AJ wird in Avalon zur Schule gehen müssen. Ich werde ihn gleich Montag anmelden.“
„Vielleicht findet er das gut. Manche Kinder mögen die Schule.“
Bo warf ihr einen verdrossenen Blick zu. „Es ist mitten im Schuljahr, er kommt aus einem anderen Bundesstaat und kennt keine Menschenseele.“
„Okay, wahrscheinlich war das ein bisschen optimistisch von mir.“
„Ich schätze, ich werde es ihm heute Abend sagen. Eventuell nach dem Abendessen.“ Er schaute sich im Zimmer um. „Wie auch immer, danke, Kim.“
Oh, sie war von Ma’am zu Kim befördert worden. „Wofür?“
„Dafür, dass Sie nicht ausgeflippt sind, als Sie mich gesehen haben.“
„Warum hätte ich ausflippen sollen?“
„Als Sie die Tür öffneten, dachte ich, ich wäre geliefert.“
Das fand sie nicht gerade schmeichelhaft. „Was das angeht … mein Verhalten am Flughafen an dem Morgen … Das war nicht ich.“
„Ich vermutete schon, dass Sie vielleicht nur einen dieser Tage hatten“, sagte er.
„Eines dieser Leben“, erwiderte sie und schüttelte den Kopf. AJ Martinez war der lebende Beweis, dass es Schlimmeres auf der Welt gab als Lloyd Johnson. In den Tagen nach ihrem überstürzten Aufbruch hatte es unzählige Anrufe von ihren ehemaligen Kollegen gegeben, aber es waren nach und nach weniger geworden. Bald würde völlige Funkstille herrschen. So war das in ihrem Business einfach. Es kaute die Leute gut durch und spuckte sie aus, wenn sie nicht mehr zu gebrauchen waren. Einst hatte sie damit umgehen können, jetzt sah das anders aus.
„Das klingt nicht so gut“, merkte Bo Crutcher an. „Was haben Sie da am Flughafen gemacht, aufgerüscht wie eine Barbiepuppe?“
„Ich musste L.A. überstürzt verlassen und hatte keine Zeit mich umzuziehen.“
„Sind Sie vor irgendetwas auf der Flucht?“
Er schaute sie eindringlich an, und sie lachte kurz und humorlos auf. Vor meinem eigenen Leben, schoss es ihr durch den Kopf. „Sie stellen viele Fragen.“ Wieder dieses Lächeln. Sie hätte beinahe schwören können, dass er mit ihr flirtete.
„Aber Sie beantworten nur wenige“, sagte er. „Ist alles in Ordnung?“
Sie dachte erneut an AJ und die Unsicherheit, der er sich ausgesetzt sah. Und an Bo, der von jetzt auf gleich seinen mutterlosen Sohn bei sich aufnahm, den er noch nie gesehen hatte. „Ja, mir geht es gut.“
„Vielleicht mögen Sie mir dieser Tage mal mehr über sich erzählen. Wir müssen einander besser kennenlernen.“
Nein, müssen wir nicht, dachte sie, denn sie fühlte sich viel zu sehr von dem Lächeln angezogen, das selbst dann auf seinen Lippen lag, wenn er von ernsten Themen sprach.
Daisy Bellamy war mal wieder zu spät dran. Obwohl Charlie inzwischen anderthalb Jahre alt war, hatte sie die Kunst, was sie brauchte, zusammenzupacken und rechtzeitig das Haus zu verlassen, immer noch nicht gemeistert. Selbst wenn es nur um ein schlichtes Familientreffen im Camp Kioga ging. Egal wie früh sie anfing sich fertigzumachen, irgendetwas hielt sie jedes Mal auf. Für den heutigen Abend hatte sie alles sorgfältig geplant – Charlies Outfit, den Inhalt der Tasche, ihre Kameraausrüstung –, aber gerade, als sie zur Tür wollte, fand Charlie irgendwo einen alten Oreo-Keks. Als sie ihn endlich erwischte, hatte er ein dickes Schokoladengrinsen im Gesicht und
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