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Nur wenn du mich hältst (German Edition)

Nur wenn du mich hältst (German Edition)

Titel: Nur wenn du mich hältst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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zwecklos war, trotzdem rief er ab und zu in ihrem alten Zuhause an. Er wollte sie einfach nur hören, obwohl es ihm jedes Mal beinahe das Herz zerriss. „Hier ist Yolanda. Hinterlasst mir eine Nachricht, und ich rufe zurück.“ Es ging nicht um die Worte, sondern um den Klang ihrer Stimme, gefolgt vom Piepton, der für ihn einer Einladung gleichkam zu sprechen. „Mom“, sagte er. „Mami, wo bist du? Ich habe wirklich Angst und will wieder bei dir sein.“ Er wusste, dass sie nicht zu Hause war, um das Band abzuhören, aber er fügte trotzdem hinzu: „Ich liebe dich, Mom. Te quiero . Okay, tschüss.“
    Jedes Mal, wenn er auflegte, betrachtete er danach das Foto von ihr, das im vergangenen Jahr beim großen Jahrmarkt und Rodeo in Houston aufgenommen worden war. Es war pures Glück, dass es in einer Tasche seines Rucksacks gesteckt hatte. Ansonsten hätte er gar nichts von ihr dabei.
    Nachdem er die Fotografie angeschaut hatte, schloss er die Augen und beschwor Erinnerungen an seine Mutter herauf, um sich ihr näher zu fühlen. Ihr Geruch und die Art, wie sich ihre Hand anfühlte, wenn sie ihm das Haar zurückstrich. Der Klang ihrer Stimme, wenn sie die Lieder aus dem Radio mitsang. Die Sorgenfalten, die ihre Stirn kräuselten, wenn sie sich unbeobachtet glaubte. Und die Art, wie sie die Telefonschnur um ihre Finger wickelte und leise sprach, damit er sie nicht hörte. Er erinnerte sich auch an die guten Zeiten. Wenn es im Sommer so heiß war, dass man kaum geradeaus gucken konnte, und sie ihn zu einem geheimen Ort zum Schwimmen mitnahm – ein großes Rückhaltebecken, gefüllt mit kühlem, klarem Wasser, das direkt aus dem Boden gepumpt wurde.
    „Dieser Ort ist etwas ganz Besonderes für mich, niño “, hatte sie ihm einst gesagt.
    „Warum?“
    Ein sehnsüchtiger Blick war in ihre Augen getreten. „Er erinnert mich an eine ganz besondere Zeit in meinem Leben.“
    „Was für eine besondere Zeit?“, hakte er nach, doch statt zu antworten, hatte sie nur gelacht und ihn untergetaucht. Danach hatten sie sich bei „Sonic“ ein Softeis gekauft, und er hatte sich gewünscht, seine Mutter hätte mehr Zeit für ihn und müsste nicht so viel arbeiten.
    An jedem vierten Juli nahm sie ihn mit zu den Bayous im Westen der Stadt, wo sie sich an einem steilen Ufer niederließen, um sich die Feuerwerke anzuschauen, die den Himmel in patriotische Farben tauchten. Er sah immer noch ihr strahlendes Gesicht und das Funkeln in den Augen, während sie staunte. „Hast du das gesehen, hijo ? Blumen, die am Himmel blühen. Alles ist möglich. Als ich in deinem Alter war, haben meine Eltern mich zu einem Platz am Rio Grande mitgenommen.“
    „Erzähl mir von deiner Kindheit.“
    Ihr Gesicht war traurig geworden, ihre Augen blickten weich und melancholisch. „Wir haben in Laredo gewohnt, unten im Tal, und es gab jeden Abend Musik und wunderbares Essen … Mein Papa hat hart gearbeitet und war sehr streng, aber er liebte mich, und meine Mutter war eine wundervolle Köchin. Es war damals kein großes Problem, über die Grenze zu kommen, und manchmal haben wir die Familie meiner Mutter in Nuevo Laredo besucht. Das liegt auf der anderen Seite des Flusses, der mexikanischen.“
    Laut seiner Geburtsurkunde war er in Laredo geboren worden, doch er erinnerte sich kaum an seine abuelos . Er hatte sie das letzte Mal gesehen, bevor er in die Vorschule gekommen war. Er wusste noch, wie traurig seine Mutter gewesen war, als sie ihm erzählte, sein abuelito , sein Großvater, sei gestorben und seine Großmutter würde ins Tal nach Mexiko zurückziehen. Zu dem Zeitpunkt war Mom schon mit Bruno verheiratet, und sie waren der Arbeit wegen nach Houston gezogen.
    Jedes Mal, wenn er fragte, ob sie seine Großmutter besuchen fahren könnten, kehrte die Traurigkeit in die Augen seiner Mutter zurück. „Das ist nicht sicher“, sagte sie, und jetzt verstand er, was das wirklich bedeutete. Es war nicht sicher, Latino und arm zu sein. Manchmal musste man beweisen, wer man war, und er lernte gerade, wie schwer das für Menschen wie seine Mutter sein konnte.
    Die Leute, die bei der Razzia verhaftet worden waren, hatten die Wahl, sich entweder freiwillig für die sofortige Abschiebung zu melden oder eine Anhörung zu verlangen. Mrs Bellamy-Shepherd, die blonde Anwältin, hatte erklärt, dass man bei einer Anhörung vor einen Bundesrichter treten und erklären musste, wieso man das Recht erhalten sollte, im Land zu bleiben, anstatt abgeschoben zu

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