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Nur wenn du mich hältst (German Edition)

Nur wenn du mich hältst (German Edition)

Titel: Nur wenn du mich hältst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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nach und hoffte, dass es nicht weit war. Er verstand nicht, wie Menschen mit diesen Temperaturen leben konnten. In Houston beschwerten sich alle wegen der Hitze, aber hier in der Kälte musste man sich gegen den Wind stemmen und hoffen, dass man nicht erfror.
    Er ließ den Blick über die Menschenmenge gleiten auf der Suche nach jemandem, den er nach dem Weg fragen konnte. Der Mann mit dem Kaffeewagen an der Ecke? Der grimmige Geschäftsmann mit dem Aktenkoffer? Das dünne Mädchen, das sich seinen langen Schal mehrmals um den Hals gewunden hatte? Er näherte sich einer Frau mit grauen Haaren, die einen einfachen Stoffmantel und abgetragene Lederhandschuhe trug. Sie machte einen freundlichen Eindruck. Außerdem schien sie, anders als alle anderen, nicht in Eile zu sein.
    „Ma’am“, sprach er sie an. „Ich suche die Hundertsechzehnte Straße Ost. Wissen Sie, wie ich dorthin komme?“
    „Sicher. Geh einen Block weiter zur Third Avenue. Die meisten Busse, die dort halten, fahren nach Uptown. Ist mit dir alles in Ordnung?“ Sie musterte ihn prüfend.
    „Ja, danke.“ AJ fand es nett, dass sie fragte. Normalerweise nervte es ihn, dass er so schmächtig war, weil die Leute ihn dadurch oft für jünger hielten, aber manchmal sorgte es dafür, dass man netter zu ihm war. Auf dem Weg in die Richtung, die die Frau ihm gezeigt hatte, erinnerte er sich daran, dass es auf der Welt auch freundliche Menschen gab und dass sich meistens irgendwie alles regelte. Doch je weiter er ging, desto verlorener fühlte er sich. Er war genauso heimatlos wie die Männer, die gegen die Kälte zusammengekauert in den Eingängen der Kirche saßen, an der er vorbeikam. Außerdem hatte er zu allem Überfluss auch noch Hunger. Überall auf den Bürgersteigen standen Straßenhändler, und die Luft war erfüllt mit dem Duft von gebratenen Würstchen, Erdnüssen und Brezeln. Es gab auch exotischere Speisen, die von Leuten mit starkem Akzent aus dicken Eisenpfannen voller Hühner- und Lammspieße verkauft wurden. AJ stemmte sich mit hochgezogenen Schultern gegen den eiskalten Wind.
    Er erreichte die Third Avenue, sah aber keinen Bus, daher ging er weiter in die Richtung, in die sich der Verkehr bewegte. Die Straßennummern wurden immer höher, also war er auf dem richtigen Weg. Er hoffte, dass der Latinotreff nicht mehr weit war. Als seine Zehen schließlich schon ganz taub waren, fragte er erneut nach dem Weg und stieg dann in den Bus, den man ihm nannte. Er kaufte eine Fahrkarte, fand einen leeren Sitzplatz und fing an, die Straßen abzuzählen, an denen sie dank des starken Verkehrs nur langsam entlangschlichen.
    Alle paar Blocks veränderte sich das Straßenbild. Von schmierigen Läden zu schicken Mietshäusern zu offiziell aussehenden Verwaltungsgebäuden und Schulen. Dann fuhr der Bus in ein Viertel, in dem an manchen Straßenecken blumengeschmückte Marienstatuen standen. Es gab vertraut wirkende tiendas , Reihen von Backsteingebäuden, Wände voller Graffiti und einen großen überdachten Markt mit bunten Paprikagirlanden und spitzenbesetzten Quinceañera-Kleidern für die Feiern zum fünfzehnten Geburtstag eines Mädchens. Von den Markisen hingen Piñatas, und auf den Tresen sah er importierte Getränke.
    Er stieg aus dem Bus und dachte, nun käme er der Sache schon näher, doch irgendwie passte er hier auch nicht hin. Ein paar Meter die Straße hinunter sah er eine Schule. Zumindest glaubte er, dass es sich um eine Schule handelte, denn sie sah anders aus als seine Schule in Texas. Dies war ein altes Backsteingebäude mit Basketballplätzen, die von Zäunen umgeben waren. In den Ecken lagen mittelgroße Haufen dreckigen Schnees. Er eilte in die entgegengesetzte Richtung, wobei er sich auf der belebten Straße mit den Läden hielt. Alle Passanten wirkten sehr geschäftig und schienen genau zu wissen, wo sie hinwollten.
    Gerade als AJ anfing, sich unsichtbar zu fühlen, bemerkte ihn jemand.
    „Hey Kleiner“, hörte er jemanden sagen. „Was machste hier? Schwänzt du etwa die Schule?“
    Er sah einen Jungen, der nur wenig älter war als er. Obwohl er ganz nett wirkte, hatte er etwas an sich, das AJ nervös machte. Er versuchte jedoch, es sich nicht anmerken zu lassen, sondern sagte: „Ich suche eine Adresse.“
    „Ach ja? Welche denn?“
    AJ zeigte ihm den Ausdruck.
    „Ich weiß, wo das ist“, sagte der Junge. „Komm, ich bring dich hin.“ Er passte sich seinen Schritten an. „Ich bin Denny.“
    „AJ.“ Er steckte die Hände in

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