Nur Wenn Du Mich Liebst
Waffe ziehen und im Gerichtssaal herumballern würde. Gott sei Dank gibt es Metalldetektoren, dachte sie und bemerkte nun auch Susan, die aus der letzten Reihe beobachtete, wie Chris vereidigt wurde. Michael Rose stellte ein paar obligate Fragen über ihr Alter und ihren Beruf, bevor er direkt zum Kern der Sache kam.
»Könnten Sie Ihre Beziehung zu Barbara Azinger beschreiben?«, fragte er.
»Wir waren vierzehn Jahre lang befreundet. Sie war meine beste Freundin«, sagte Chris.
»Das heißt, Sie kennen auch ihre Tochter Tracey?«
»Ich kenne Tracey, seit sie zwei Jahre alt war.« Chris blickte in Traceys Richtung, und ihr Blick traf kurz auf Vickis, bevor sie sich wieder abwandte.
»Würden Sie Barbara Azinger als eine gute Mutter bezeichnen?«
»Sie war eine wundervolle Mutter.«
»Haben Sie je gesehen, wie sie ihre Tochter geschlagen hat?«
»Barbara hat jede Form von körperlicher Züchtigung abgelehnt.«
»Sie hat ihrer Tochter nicht mal im Affekt eine Ohrfeige verpasst?«
»Nie. Barbara war eine sehr liebevolle Mutter. Sie hat Tracey vergöttert.«
»Haben Sie in all den Jahren Ihrer Freundschaft irgendwann einmal beobachtet, dass Barbara ihre Tochter in unstatthafter Weise berührt hat?«
»Natürlich nicht.«
»Hat Sie je ein widernatürliches Interesse an ihrer Tochter gestanden?«
»Nein. Das ist doch absurd.«
»Danke«, schloss Michael Rose und nickte Vicki zu. »Ihre Zeugin.«
Das kann man wohl sagen, dachte Vicki und erhob sich langsam. Kann ich das wirklich tun, fragte sie sich und verwarf ihre Bedenken mit einem Kopfschütteln sofort wieder. Habe ich eine Wahl?
»Inwiefern war sie liebevoll?«, fragte Vicki.
Chris zögerte. »Ich bin nicht sicher, ob ich Ihre Frage verstehe.«
»Haben Sie Barbara je das Haar ihrer Tochter streicheln sehen?«
»Ja.«
»Haben Sie sie ihre Tochter je küssen sehen?«
»Selbstverständlich.«
»Hat sie sie in den Arm genommen?«
»Ja.«
»Und wie hat Tracey auf diese Liebkosungen ihrer Mutter reagiert?«
Chris versuchte sich an die vielen Gelegenheiten zu erinnern, bei denen sie Barbara und Tracey gemeinsam erlebt hatte. »Es gab nie ein Problem, wenn Sie darauf hinauswollen.«
»Sie haben nie gehört, dass Tracey sie zurückgewiesen hat?«
»Nein.«
»Waren Sie schockiert, als Sie gehört haben, dass Tracey wegen des Mordes an ihrer Mutter verhaftet worden war?« Vicki wartete auf Michael Roses Einspruch und lächelte beinahe, als er nicht kam.
»Ich dachte, dass es sich um einen Irrtum handeln muss.«
»Waren Sie schockiert, als Sie gehört haben, dass Tracey die Tat gestanden hat?«
»Ja.«
»Warum?«
»Warum?«, wiederholte Chris.
»Warum waren Sie schockiert?«
»Ich weiß nicht, wie ich das beantworten soll.«
»Waren Sie schockiert, weil Sie sich nicht vorstellen konnten, dass Tracey etwas so Schreckliches getan haben sollte?« Dagegen muss der Staatsanwalt doch Einspruch erheben, dachte Vicki und wartete.
»Einspruch«, rief Michael Rose pflichtgemäß von seinem Platz. »Die Meinung der Zeugin zu dieser Frage ist irrelevant.«
»Stattgegeben.«
»Hat Tracey je etwas gesagt oder getan, das darauf hingedeutet hätte, dass Sie unglücklich über die jüngst erfolgte Verlobung ihrer Mutter war?«
»Nein.«
»Ihres Wissens stand also zwischen Barbara und ihrer Tochter alles zum Besten?«
»Ja.«
»Und trotzdem hat Tracey ihre Mutter getötet. Wie kann das sein?«
»Einspruch.«
»Stattgegeben.«
»Meinen Sie nicht auch, dass es einen verdammt guten Grund dafür geben muss, dass eine Tochter ihre Mutter tötet?«
»Einspruch.«
»Stattgegeben. Und mäßigen Sie Ihre Wortwahl, Frau Anwältin.«
»War Tracey leicht erregbar, Mrs. Malarek?«, fragte Vicki, ohne den Einspruch des Staatsanwalts und die Ermahnung des Richters zu beachten.
»Meines Wissens nicht.«
»Und doch ist dieses junge Mädchen, das laut Aussage aller eine vorbildliche Tochter war, mitten in der Nacht aufgestanden und hat ihre Mutter getötet. Ergibt das für Sie einen Sinn?«
»Nein«, sagte Chris, bevor der Ankläger Einspruch erheben konnte. »Nichts, was in jener Nacht passiert ist, ergibt irgendeinen Sinn.«
Vicki atmete tief ein und dachte, jetzt oder nie. Sie atmete ein zweites Mal tief durch und brachte die nächste Frage nur zögerlich über die Lippen. »War Barbara Azinger je Ihre Geliebte?«, fragte sie und lauschte dem aufgeregten Getuschel im ganzen Gerichtssaal.
»Was!« Chris' Gesicht wurde aschfahl.
Michael Rose war aufgesprungen
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