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Nur Wenn Du Mich Liebst

Titel: Nur Wenn Du Mich Liebst Kostenlos Bücher Online Lesen
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nicht allzu langer Zeit ihre Mutter wieder getroffen hat. Es gab auch ein gemeinsames Bild von den beiden, und obwohl das Foto sehr klein war, war die Familienähnlichkeit unverkennbar. Sie hatten beide das gleiche schmale Gesicht, die gleiche brennende Intensität um die Augen. Vicki hatte ihre Hand lässig über die Schulter ihrer Mutter gelegt, doch ich habe mich unwillkürlich gefragt, ob sie unbewusst versuchte, ihre Mutter davon abzuhalten, ihr noch einmal wegzulaufen. Owen meinte, ich würde zu viel in das Bild hineindeuten, und er hat wahrscheinlich Recht. Ich hoffe jedenfalls, dass die Wiederbegegnung mit ihrer Mutter all das erfüllt hat, was Vicki sich gewünscht und gebraucht hat. Ich habe sogar überlegt, sie anzurufen und ihr alles Gute zu wünschen, mich dann jedoch dagegen entschieden. Manche Wunden gehen einfach zu tief.
    »Was ist mit Tracey?«, fragt Ana. »Hören Sie noch irgendwas von ihr?«
    »Gott sei Dank nicht. Das Letzte, was ich gelesen habe, war, dass sie in irgendeinem Off-Broadway-Stück aufgetreten ist.« Ich mache eine Pause, für einen Moment überwältigt von einer der kleinen Ironien des Schicksals. »Und was ist mit dir? Was führt dich zurück nach Cincinnati? Erzähl mir nicht, die französische Küche wäre dir über.«
    Chris' Lächeln strahlt mir aus dem herzförmigen Gesicht ihrer Tochter entgegen. »Nein, Paris ist toll. Ich kann mir nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben. Außerdem habe ich da diesen Typen getroffen...« Sie lässt den Satz unvollendet, und die Worte hängen in der Luft wie Zigarettenrauch. Sie verdreht die Augen und lacht das Lachen ihrer Mutter.
    »Hast du deinen Vater getroffen?«
    Ana runzelt die Stirn. »Ich bin gekommen, um meine Brüder zu sehen.«
    »Wie geht es ihnen?«
    »Ganz gut. Schwer zu sagen. Sie wissen ja, wie das mit Jungs ist – die erzählen nicht viel.«
    »Ich habe Tony seit Jahren nicht gesehen«, sage ich, mehr zu mir selbst als zu dem Mädchen, das ich einst als Montana kannte.
    »Er hat sich nicht verändert. Letztes Jahr hatte er einen Autounfall, der ihn ein wenig gebremst hat. Seither humpelt er ein bisschen, aber ansonsten...« Sie bricht ab und atmet tief ein. »Erzählen Sie mir von meiner Mutter«, sagt sie leise.
    Ich schließe die Augen, öffne sie wieder und sehe Chris, wo jetzt ihre Tochter sitzt. Was kann ich sagen? »Was möchtest du wissen?«
    Ana blickt zur Decke, als wollte sie so verhindern, dass die Tränen, die in ihren Augen stehen, über ihre Wangen rollen. »Alles.«
    Ich schüttele den Kopf, nach wie vor zornig, über eine weitere bittere Ironie des Lebens. »Vor drei Jahren habe ich einen Knoten in meiner Brust ertastet«, setze ich an und kann seinen Schatten nach wie vor spüren. »Meine Mutter ist vor einigen Jahren an Brustkrebs gestorben. Ich weiß nicht, ob du dich daran erinnerst.«
    Ana nickt respektvoll.
    »Jedenfalls hat mein Arzt eine Mammographie angeordnet. Ich hatte furchtbare Angst. Deine Mutter hat angeboten, mir Gesellschaft zu leisten, und dann entschieden, dass sie selbst auch einen Termin machen sollte. Mein Knoten hat sich als harmlose Zyste herausgestellt...«
    »So viel Glück hatte meine Mutter nicht«, flüstert Ana.
    »Danach ging alles sehr schnell. In nicht einmal zwei Jahren war sie tot.«
    Ana unterdrückt einen leisen Schrei in ihrer Kehle. »Ich wusste nicht einmal, dass sie krank war.«
    »Wir haben versucht, Kontakt mit dir aufzunehmen, aber dein Vater hat uns die falsche Adresse gegeben. Alle Briefe kamen zurück.«
    »Das Schwein«, murmelt Ana vernehmlich. »Ich habe nur einen Anruf bekommen, nachdem sie gestorben war.« Sie springt auf, verharrt dann aber auf der Stelle. »Obwohl ich nicht alle Schuld auf ihn abwälzen kann. Es war schließlich
meine
Entscheidung, sie aus meinem Leben zu tilgen,
mein
Entschluss, nach Europa zu gehen.«
    »Du warst ein junges Mädchen und sehr durcheinander.«
    »Ich war ein egozentrisches Gör.«
    »Nein«, erkläre ich ihr und will sie in die Arme nehmen, fürchte jedoch die unsichtbare Grenze zwischen uns zu überschreiten. »Du darfst dich nicht schuldig fühlen. Deine Mutter hat dich geliebt. Sie war so stolz auf dich.«
    »Warum? Womit habe ich mir diesen Stolz je verdient?«
    »Du warst ihre Tochter.«
    »Und das ist genug?«
    Vor meinem inneren Auge taucht Ariels Gesicht in all seinen diversen Verwandlungen auf, im Bruchteil einer Sekunde vom eifersüchtigen Kleinkind über den rebellischen Teenager zur werdenden Mutter.

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