Nur Wenn Du Mich Liebst
Tracey, die auf der Treppe ihren Streit mit Ron belauscht hatte. Was immer man gegen das Schwein sagen konnte, er war zumindest nicht Tony.
»Die Jungen haben geschlafen.«
»Und Montana?«
Chris schüttelte den Kopf, als wüsste sie es nicht. Tränen kullerten über ihre Wangen.
»Alles wird gut. Er kann dir nicht mehr wehtun.«
»Er hat meine Kinder.«
»Aber nicht mehr lange. Gleich morgen früh rufen wir Vicki an. Sie weiß bestimmt, was zu tun ist. In der Zwischenzeit bleibst du hier bei mir. Und sobald wir deine Kinder bekommen, wohnen die auch hier, zumindest bis alles geklärt ist. Und es klärt sich bestimmt, das verspreche ich dir. Und jetzt lass uns nach oben gehen. Du ziehst diese albernen Sachen aus, ich lasse dir ein schönes heißes Bad einlaufen, und danach wirst du dich erst mal ordentlich ausschlafen. Wie klingt das?«
Chris lächelte. »Zu schön, um wahr zu sein.«
Barbara saß auf dem Wannenrand, sah zu, wie das Wasser aus dem Hahn rauschte, und streckte gelegentlich die Hand in den Strom, um die Temperatur zu regulieren. Heiß, aber nicht zu heiß. Jedenfalls nicht so heiß, dass Chris nicht bequem sitzen würde. Sie wollte ihr keinesfalls weitere Schmerzen bereiten. Mein Gott, was hatte die Frau durchgemacht? Die Dinge, die sie heute Abend erzählt hatte, waren offensichtlich nur die Spitze des Eisbergs. Aber warum sollte sie das überraschen? Hatte Tony Chris nicht schon seit Jahren misshandelt? Hatte er ihr nicht das Haar abgemetzelt? Und hatte sie sich nicht – hatten sie alle sich nicht – einfach zurückgelehnt und gar nichts getan?
Die Grandes Dames. Freundinnen fürs Leben.
Tolle Freundinnen.
Barbara schloss beschämt die Augen. Es war zu einfach, sich damit herauszureden, dass niemand etwas hätte tun können. Zu einfach, die Verantwortung allein auf Chris' zitternde Schultern und in Tonys brutale Fäuste zu legen. Sie waren alle mitschuldig.
Aber trotz alledem, was hätte sie tun können?
»Es ist nicht deine Schuld«, sagte Chris unvermittelt, als sie ins Bad kam und sich neben Barbara auf den Wannenrand setzte. Sie trug Barbaras flauschigen weißen Frotteebademantel und hatte ihr mittlerweile wieder schulterlanges Haar hinter die Ohren gestrichen.
Der Pferdeschwanz ist für immer verschwunden, dachte Barbara und stellte fest, wie sehr sie ihn vermisste. »Ich hätte für dich da sein müssen«, flüsterte sie. »Ich hätte wenigstens für dich da sein müssen.«
»Das warst du.« Chris fasste Barbaras Hand.
»Nein, ich habe aufgehört, dich zu suchen.«
»Was hättest du sonst tun sollen?«
»Ich habe dauernd an dich gedacht.«
»Ich weiß.«
»Wir haben alle an dich gedacht. Ohne dich war die Grand Avenue nie mehr dieselbe.«
»Wie geht es den anderen?«, fragte Chris, plötzlich hungrig nach Informationen. »Vicki und Susan? Owen und Jeremy? Den Kindern?«
»Es geht allen prima.«
»Immer noch zusammen. Immer noch gut.«
»Immer noch zusammen. Immer noch gut.«
»Das freut mich. Und du, wie geht es dir?«
Barbara lächelte. »Besser, seit du hier bist.« Sie strich über Chris' wunderschönes Gesicht, als wollte sie sich davon überzeugen, dass ihre Freundin tatsächlich hier und nicht bloß ein Produkt ihrer einsamen Phantasie war. »Bitte versprich mir, dass du nie wieder zu ihm zurückgehst«, sagte sie, obwohl sie sich aus Angst vor Chris' Antwort kaum traute, die Worte laut auszusprechen.
»Ich werde nie zu ihm zurückkehren«, erklärte Chris mit überraschend fester Stimme.
»Egal, was er sagt oder macht.«
»Ich werde nie zurückgehen«, wiederholte Chris noch energischer als beim ersten Mal.
»Versprichst du es?«
»Ich verspreche es«, bestätigte Chris nickend.
Barbara stand vom Wannenrand auf. »Dann genieße dein Bad.«
Chris löste den Gürtel und warf den zu großen Bademantel ab wie ein Schmetterling, der seinen Kokon abstreift, dachte Barbara. Sie wandte den Blick ab und wollte hinausgehen, als Chris' Stimme sie zurückhielt. »Geh nicht.«
Barbara sagte nichts, sondern setzte sich auf die Toilette und beobachtete wortlos, wie Chris nackt in die Wanne stieg und ihr Körper im heißen Wasser versank. War sie schon immer so schmal und zerbrechlich gewesen?, fragte Barbara sich und verzog beim Anblick der zahllosen Blutergüsse auf ihrem ganzen Körper unwillkürlich das Gesicht. Staubgelbe Flecken auf den Innenarmen, neonviolette Kreise auf ihren Oberschenkeln, flache blaue Schatten beinahe überall. Doch das waren nicht die
Weitere Kostenlose Bücher