Nybbas Nächte
Fingern glitt er über den Griff seines Schwertes, fragte sich, ob er es heute brauchen würde. Im Geiste kostete er die Luft. Sie schmeckte sicher, aber das wusste man nie so genau. Amerika warvoller Dämonen. Wo sie nicht waren, fiel die Aura eines Einzelnen umso stärker in den Blick derer, die nach ihnen suchten. Die Clerica hatten weder Geruch noch Geschmack, wenn sie sich näherten. Nichts unterschied sie von normalen Menschen, bis auf die Fähigkeit, einen Dämon mit der Kraft eines Gedanken zur Hölle zu schicken.
Für heute konnten sie ihn alle mal. Kreuzweise, wenn es nach ihm ging, und bitte das Amen hinterher nicht vergessen. Er folgte dem Mann und dem Kind zu der Haustür, die langsam hinter ihnen zufiel. Fünfzig Klingelknöpfe, an wenigen standen Namen. Anonym, heruntergekommen und fast leer stehend. Ideal für das, was der Mann vorhatte. Das perfekte Klischee. Er, der Racheengel, war das Sahnehäubchen.
Einen Zentimeter, bevor das Türblatt den Rahmen erreicht hatte, legte er seine Hand auf das rissige Milchglas und drückte dagegen. Unter seinen Fingern knirschte es. Aus dem Flur schlugen ihm grelles Licht und der Geruch von Linoleum, kaltem Zigarettenrauch und Katzenkot entgegen. Das Mädchen fuhr herum, gab einen Schmerzlaut von sich, weil der Mann den kleinen Arm fester umklammerte. Zugleich warf dieser einen Blick über die Schulter. Seine Hand hielt auf dem Weg zur Fahrstuhltaste inne, die Augen weiteten sich ungläubig hinter der Brille. Er ließ das Kind los und drehte sich um, wich in derselben Bewegung bis an die Fahrstuhltür zurück.
Der Ilyan ließ die Tür hinter sich zufallen und trat näher, bis die Brillengläser des Mannes sein eigenes maskiertes Gesicht widerspiegelten. „Hi.“ Er klopfte ihm mit den Fingerknöcheln gegen die Brust. „Noch Luft für letzte Worte, Sterblicher?“
„Was soll die bescheuerte Verkleidung?“, blaffte der Mann. Ausbrechender Schweiß auf seiner Oberlippe zeugte von Angst. „Bist’n Freak, hä?“
Das Mädchen streckte die Hand nach den Flügeln des Ilyan aus. Sie reichte ihm nicht einmal bis zum Nabel, war allenfalls acht Jahre alt. „Flügel“, flüsterte sie ehrfürchtig. „Bist du ein richtiger Engel?“
„Was soll der Scheiß?“ Die Stimme des Mannes wurde laut, gleichermaßen zittrig. Er hatte das Schwert gesehen. „Ich hab ihr nichts getan. Was willst du von mir?“
„Nichts, das von Bedeutung wäre.“ Der Ilyan spürte, wie die Finger des Kindes seine Schwingen berührten, aber beachtete es nicht weiter. Das energetische Summen des verdorbenen Menschen schoss verführerisch durch seinen Körper. „Ich will nur deine Seele. Leider muss ich dein Leben dazu nehmen, das ist die Drecksarbeit bei dem Job.“
Überraschend schnell griff der Mann unter seine Jacke, zog und entsicherte mit geübtem Griff eine Pistole. Der Ilyan fing die Waffe noch in der Bewegung ab und quetschte die Finger des Mannes gegen das Metall, sodass er den Abzug nicht ziehen konnte. Der Atem des Menschen wurde rau. Ganz langsam führte der Ilyan die Waffe an seinen eigenen Kopf, richtete sie zwischen seine Augen. Der Lauf kratzte über das Metall seiner Maske. Die menschliche Hand unter seiner eigenen bebte. Das Mädchen schnappte nach Luft und wich zurück.
„Drück ab“, flüsterte der Ilyan und ließ den Mann los. Er breitete die Arme aus. Nette kleine Show. In der Reflexion der Brille betrachtete er sein eigenes dünnes Lächeln. Mehr als lächeln konnte seine unbewegliche Miene nicht. Er hoffte, der Idiot würde schießen und sich den Querschläger einfangen.
Die Waffe schabte leise über seine Stirn, weil die Hand des Mannes zitterte. Ansonsten blieb es still.
„Feiger Versager.“ Elias schlug die Pistole mit dem Handrücken fort. Sie flog an die Wand und schepperte zu Boden. Grob packte er den Mann am Haar und zog dessen Gesicht bis an seines. Es begann sofort. Die verzweifelt gegen seine Brust trommelnden Schläge spürte er kaum, so sehr nahm ihn der Rausch gefangen. Er zerrte die Seele des Menschen aus seinem Körper, riss sie in tausend Splitter und atmete jeden einzelnen ein. Trank die Tropfen und füllte mit ihnen die Leere seiner eigenen Seele. In einem kreischenden Staccato jagten die Bilder durch seinen Kopf. Bilder, die ihn anwiderten, die Hass und blindes Verlangen nach Rache schürten. Jeder flüchtige Blick durch die Augen des Mannes, der so viel Gefallen an kleinen Körpern fand, schmerzte. Gleichzeitig waren diese Bilder das,
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