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Nybbas Nächte

Nybbas Nächte

Titel: Nybbas Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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und das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten, war ein betrunkener Racheengel. So blieb sie sitzen und versuchte zu ignorieren, dass die Luft dünner wurde.
    „Wer?“, wiederholte Nicholas barsch.
    Er schien in Elias’ abgewandter Miene zu lesen, vielleicht vernahm er sogar dessen Gedanken.
    Keine Antwort. Das sagte mehr als tausend Worte.
    Nicholas’ Lider verspannten sich, seine Züge wurden hart. „Okay“, meinte er dann sanft, als hätte Elias geantwortet. Er nahm Joanas Hand, betrachtete sie eine Weile und küsste ihren Puls. „Dann besteht nun wohl Grund zur Sorge.“
    Nicholas brachte Elias nach oben, um ihm das Gästezimmer zu zeigen. Joana blieb zurück und starrte durch die verglaste Hinterwand in die Schwärze der Nacht. Sie versuchte, nicht traurig zu sein, so unglücklich ihre Reflexion in der Scheibe auch auf sie zurücksah. Es war nur eine Illusion von Glück, die hier endete. Sie hatte nicht ernsthaft gedacht, diese andere Welt würde sie so schnell gehen lassen? Das friedvolle Leben der vergangenen Wochen war nichts als ein Aufschub gewesen. Eine Pause, bevor die Jagd begann. Nicholas hatte es gewusst. Immer war er wachsam. Sein Schlaf war unstet, als hielte er die Augen unter geschlossenen Lidern auf Tür und Fenster gerichtet. Er hatte eine weitere Waffe gekauft und nicht versäumt, Joana wie zufällig mit ansehen zu lassen, wo er sie aufbewahrte.
    Sie öffnete die Tür zur Terrasse und trat ins Dunkel. Wind zupfte an ihrem T-Shirt und kühlte ihre vom Wein erhitzten Wangen. Am Ende des Gartens pellten sich langsam die Schemen der Aprikosenbäume und Dattelpalmen aus dem Nichts. Aus der Schwärze wurde Grau. So war es immer. Je näher man sich an die Finsternis heranwagte, desto heller und durchscheinender wurde sie. Doch mit ihr zu verschmelzen, kostete seinen Preis.
    Barfuß tappte sie über die Holzpaneele der Terrasse und ließ sich an deren Ende auf eine von drei Stufen nieder, die auf die Wiese führten. Der Granatapfelbaum zu ihrer Linken trug noch Früchte. Saure, harte Biester, die nicht reif werden wollten, und laut Nicholas nur taugten, um jemanden damit totzuwerfen. Ob sie mit der Zeit noch genießbar werden würden, sollten sie wohl nicht mehr herausfinden. Alle Zeichen deuteten auf ein schnelles Weiterziehen. Elias’ plötzliches Auftauchen veränderte alles. Sie verabschiedete sich in Gedanken von ihrem Garten, von Portugal und von der Hoffnung, hier ein normales Leben führen zu können. Das Asyl brach zusammen wie ein Kartenhaus. Sollte wohl nicht sein.
    Die gläserne Schiebetür hinter ihrem Rücken glitt unter einem leisen Geräusch auf.
    „Ich bin’s“, sagte Nicholas, ehe sie sich umdrehen konnte. „Willst du allein sein?“
    „Ja. Mit dir allein.“
    Sein leises Lachen war mehr in der Luft zu spüren als zu hören. Einen Moment später saß er neben ihr. Warm strichen seine Finger unter ihr T-Shirt und wanderten ihre Wirbelsäule entlang. Erst jetzt bemerkte sie, wie kühl die Nacht war. Seine Lippen berührten ihre Ohrmuschel, aber es folgte kein Kuss.
    „Du brauchst keine Angst zu haben.“
    „Und du brauchst nicht zu lügen.“
    „Würde ich nie tun.“
    Seine Worte waren so trocken, dass Joana zugleich lachen und husten musste. Zärtlich drehte er ihr Gesicht in seine Richtung, strich mit der Nase über ihre Wange und küsste sie weich auf den Mund. Sie öffnete die Lippen, wollte den Kuss erwidern, doch er wich ihr aus, lächelte gerissen und neckte ihren Mundwinkel mit der Zunge, ehe er sich erneut zurückzog und sie selbstzufrieden ansah.
    „Schwarz.“
    „Nur zur Hälfte“, verbesserte sie ihn irritiert. Ihre Mutter war Schwarze, ihr Vater war Deutscher gewesen. Das sollte er inzwischen wissen.
    Sein Grinsen wurde breit. „Ich meine deine Augen, mein dummer kleiner Mensch. Wenn ich dich küsse, werden sie schwarz.“
    Sie war unsicher, was das nun wieder zu bedeuten hatte, doch Nicholas lachte nur angesichts ihrer Emotionen, die er sicherlich deutlich spürte.
    „Deine Pupillen“, erklärte er mit verschwörerisch gesenkter Stimme, die seine Erheiterung nicht verbarg. „Wenn ich dich küsse, weiten sie sich, sodass kaum noch Braun übrig bleibt. Ich vermute, das bedeutet, dass du mich leiden kannst.“
    „Ja, ich vermute, damit könntest du recht haben.“
    „Sehr gut. Und nun mach dir bitte keine Sorgen mehr, Jo. Wir werden ein bisschen Weiterreisen. Einfach noch eine Weile immer geradeaus, zielloses Zigeunerleben.“ Er hob die Brauen, ein

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