Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume
Stimmung war zu gut, um sich von schlechter Laune anstecken zu lassen. Matts Neuigkeiten klangen so vielversprechend, dass er auch um Nicholas’ Respektlosigkeit vom Vortag kein großes Aufheben machte. Er brauchte ihn nun, in welcher Hinsicht auch immer.
„Wie ich sehe, hast du dich doch noch von deinem kleinen Spielzeug losreißen können“, bemerkte er. „Hat sich unser Kämpfchen wenigstens gelohnt?“
Nicholas zuckte mit der Schulter und grinste. Elias gähnte, legte einen Unterarm auf den Tisch und bettete den Kopf darauf. Lillian widmete sich ihren langen Fingernägeln. Nur Matt thronte erhaben auf seinem Lederdrehstuhl und blickte höflich, aber ohne großes Interesse in die Runde.
„Ein süßes Schätzchen“, hielt Alexander am Thema fest, so wenig es die anderen auch interessierte. „Verstehe, dass du sie dir nicht wegnehmen lässt. Aber gib mir Bescheid, wenn du ihrer überdrüssig bist. Für mich reicht es selbst dann noch.“
„Du willst, was ich übrig lasse?“ Nicholas verzog herablassend den Mund. „Mal sehen.“
Regte sich soeben etwas in seinen Augen? Alexander warf Lillian einen scharfen Blick zu. Sie verengte die Lider, ohne aufzusehen und signalisierte damit knapp, dass sie verstanden hatte. Sie würde die Ohren spitzen.
Alexander hakte nach. „Warum auch nicht? Oder willst du eine Inane aus ihr machen?“
Erneutes Schulterzucken. „Schon möglich.“
Lillian blickte zu Nicholas auf. „Darf ich Christina dann haben?“
„Als wandelnde Blutkonserve? Vergiss es, Lill.“
„Könnt ihr das bitte unter vier Augen ausmachen?“
Alexander verkniff beim Gedanken an Blut im Mund angeekelt die Lippen. Das entsprach nicht seinem Sinn für Ästhetik und jeder wusste das. Ein widerliches Geschöpf, diese Nabeshima, wie auch alle anderen vampirartigen. Aber sie waren nützlich.
Er räusperte sich. „Wie auch immer. Wir sind nicht hier, um uns über Menschen zu beharken. Unser Freund Matt hat neue Informationen und ist dankenswerterweise bereit, diese mit uns zu teilen. Ich nehme ungern zu viel vorweg, aber was er euch nun offenbart, wird euch – verzeiht die Umgangssprache – aus den Socken hauen.“ Er beobachtete die Reaktionen der anderen genau. Elias hob den Kopf an, Lillian legte ihren schief und Nicholas lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.
Alexander lächelte huldvoll in seine kleine Runde und nickte Matt zu. Dieser deutete eine respektvolle Verbeugung an. Entzückend, diese arabische Höflichkeit, auch wenn das kauzige Äußere nicht dazu passte. Der Paymon brauchte dringend einen passenderen Körper.
Matt erhob sich langsam von seinem Stuhl und reizte die Spannung aus, indem er lange schwieg. Schließlich lächelte er sanft.
„Der erste Fürst wandelt unter uns. Mein Herr, der Luzifer, ist frei.“
Niemand reagierte. Niemand sagte ein Wort. Nicholas bewegte sich als erster, er senkte mit dem Hauch eines Grinsens den Kopf. Seine Lippen bewegten sich lautlos, Alexander las das Wort ‚Interessant‘.
Schließlich brach Lillian die Stille. „Was soll das heißen? Seit wann ist der Luzifer befreit? Und wo ist er?“
Matt strahlte sie an. „Es ist, wie ich es sagte. Bei meiner Bannung vor neunzig Jahren war mein Herr noch frei. Die Gerüchte, er wäre seit Jahrhunderten gebannt, sind demnach unwahr.“
„Der Luzifer weiß von diesen Lügen“, erklärte Alexander. „Er wusste es immer. Doch er stellt sie nicht richtig, weil sie ihm Schutz bieten. Er lebt still und zurückgezogen. Aber er lebt. Er hat immer gelebt.“
Nicholas lehnte sich vor, stützte die Ellbogen auf den Tisch und verschränkte die Finger. „Wenn das wahr ist, dann frage ich mich, was uns dieses Wissen nützen soll.“
„Zweifelst du an meinen Worten?“, fragte Matt scharf.
Nicholas hob beschwichtigend die Hände. „Keineswegs. Aber sie klingen nicht, als hätte der Fürst noch Interesse an seinem Titel. Sonst hätte er gewiss längst ein Heer um sich versammelt. Bei seiner Macht sollte das ein Leichtes sein.“ Er sah Alexander hochmütig an. „Warum denkst du, dass er nur auf dich wartet?“
„Du irrst dich“, antwortete Matt an seiner Stelle. „Du kennst ihn nicht, den Luzifer. Krieg und Macht waren nie die Dinge, nach denen er die Hände ausstreckte. Der Luzifer verlangt nach seinem Vergnügen. Der Kampf ist nicht mehr als ein Werkzeug für meinen Herrn, ebendies zu erreichen.“
„Das klingt sehr sympathisch. Vielleicht sollten wir ihn dann besser in Ruhe lassen“,
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