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Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume

Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume

Titel: Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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ihrem Körper herab. Unaufdringlichund doch so präsent, als würde er den Stoff ihres Kleides mit den Fingern berühren. Er murmelte etwas, doch Joana verstand nur „… wie Wasser“.
    Sie gingen schweigend ein paar Straßen zwischen roten Backsteinbauten entlang, bis sie zu einem kleinen Park kamen. Über Joanas Rücken lief ein kühler Schauer. Dieser Ort war bis in die Siebzigerjahre ein Friedhof gewesen. Einzelne Grabsteine standen noch, aus irgendeinem Grund fielen sie ihr immer nur abends ins Auge. Das Zwielicht der Dämmerung schien matt von dem Marmor wider.
    Nicholas sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. „Willst du, dass ich mich heimisch fühle?“
    Sie griff nach seiner Hand und beantwortete ihm damit ohne ein Wort die unausgesprochene Frage, die ihn bis dahin umgeben hatte wie eine Aura aus Unbehagen.
    „Ich will, dass dieser besorgte Ausdruck aus deinem Gesicht verschwindet. Was muss ich dafür tun?“
    Seine Mundwinkel zuckten, es sollte wohl ursprünglich ein Lächeln werden. „Halte meine Welt an“, sagte er leise. Sie war sicher, dass sie es nicht hatte hören sollen.
    „Was, wenn ich das tatsächlich könnte?“ Ihr Herz schlug bis in ihren Hals, doch er schien die Anspielung nicht zu verstehen.
    Ein Paar kam ihnen entgegen und lenkte Joanas Aufmerksamkeit auf sich. Ein Mann und eine Frau, sie gingen dicht beisammen, sein Arm lag um ihre Schultern. Erst als sie nur noch wenige Schritte entfernt waren, erkannte sie, dass da noch jemand war. Jemand kleines. Die Frau trug einen Säugling in einem Tragetuch vor ihren Bauch gebunden. Das Köpfchen war von einer Mütze bedeckt, Joana sah nur zwei winzige, nackte Beinchen links und rechts aus dem Stoff lugen. Die Füße waren kaum größer als ein Zeigefinger lang war. So klein. So zerbrechlich. Sie schluckte. Im gleichen Moment drückte Nicholas ihre Hand und zog sie an seine Seite. Auch wenn es nur die Füßchen eines Babys waren, es war das erste Mal, dass sie den Blick nicht abwenden musste. Sie konnte gar nicht mehr wegsehen. Die kleinen Zehen bewegten sich, als würden sie nach ihr greifen oder winken.
    Hallo du kleines Wesen, antwortete sie im Stillen und merkte, wie ihr Blick verschwamm. Aus dem Augenwinkel erkannte sie, dass die Mutter ihr zulächelte, aber sie erwiderte es nicht. Das war dann doch noch zu viel. Sie drehte den Kopf an Nicholas’ Schulter. Er legte einen Arm um ihre Taille und berührte ihren Bauch, in dem sich ein schwerer Kloß zusammenziehen wollte.
    „Ist schon gut“, hauchte er in ihr Haar und löste die Anspannung auf.
    Einen Moment fragte sie sich, ob er wohl nachvollziehen konnte, warum Schuld an ihr nagte. Ob er sie verstand. Dann entschied sie, dass es nichts zur Sache tat. Er war da, in mehr als körperlicher Hinsicht, das war das Entscheidende. Er hatte wahrgenommen, dass sie ihn brauchte und das Einzige getan, was möglich gewesen war. Er hatte sie gehalten, und es hatte sich gut angefühlt. Sicher. Die Geste war klein und unscheinbar, aber sie besiegte jeden Zweifel, den sie noch gehabt hatte.
    Er war es wert.
    „Alles okay?“, fragte er, als die kleine Familie vorbeigegangen war.
    „Ja.“ Ihre Augen waren feucht, daher ließ sie den Blick gesenkt. Er sollte nicht glauben, dass sie traurig war. Das war es nicht. Eher die Gewissheit, gut entschieden zu haben, wenn womöglich auch nicht richtig. Dicht gefolgt von Erleichterung über einen ersten Schritt Richtung Frieden mit sich selbst. Waffenstillstand.
    Über eine halbe Stunde schlenderten sie schweigend umher und umkreisten den kleinen Park in der Zeit gefühlte siebenundzwanzig Mal. Es wurde langsam dunkler. Die Straßenlaternen außerhalb der Grünanlage waren angesprungen und schienen eine Barriere zu bilden, die keiner vor ihnen durchbrechen wollte. Die Dunkelheit im Inneren wob ein Netz und wurde dichter. Sie gab Sicherheit. Joana versuchte, sich wohlzufühlen und einfach seine Nähe zu genießen, aber Nicholas’ Anspannung verhinderte es.
    „Was ist denn los?“, fragte sie ihn irgendwann. „Bist du noch sauer auf mich? Ich wollte dich heute Morgen wirklich nicht kränken.“
    „Du hast nichts falsch gemacht“, gab er rasch Antwort und knurrte frustriert. „Alexander will, dass ich fortgehe, Jo.“
    „Was?“ Er machte wohl Witze. „Du kannst nicht fortgehen. Das geht nicht, nicht jetzt.“ Sie schnaubte, wollte den Gedanken gar nicht ernst nehmen. „Ich habe mich gerade entschieden, dass deine Nähe mir wichtiger ist, als die

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