Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume
Oder er lügt sehr gut.“
„Finde es heraus. Folge ihm, wenn er zu ihr geht. Wir brauchen ein Druckmittel, um seinen Gehorsam sicherzustellen. Er entgleitet mir und ich will ihn nicht den Jägern ausliefern müssen. Er ist zu wertvoll. Nimm dir auch diesen erbärmlichen Engel vor. Ich will sicher sein, dass er auf meiner Seite steht.“
Lillian nickte, doch ihr Gesicht verzog sich unglücklich. Sie empfand etwas für Nicholas, dieser erwiderte jedoch nichts davon. Allein aus diesem Grund vertraute Alexander blind auf ihre Loyalität. Nichts war rachsüchtiger, als eine abgewiesene Dämonenfrau.
Weiterhin besaß er ein Lockmittel, für das die Nabeshima ihren eigenen Körper in Fetzen reißen würde. Aufreizend strich er sich über die Kehle, ohne sich seinen Ekel anmerken zu lassen.
„Ich wünsche dir Erfolg, Lillian. Es soll dein Schaden nicht sein.“
„Dein Blut? Du bietest mir tatsächlich dein Blut an?“ Ihre Augen weiteten sich ehrfürchtig, vor Aufregung lispelte sie noch mehr, als sonst.
Er lächelte. „Wie wäre es mit seinem Blut? Erfülle nur deine Aufgabe richtig.“
Das Saphirgrün um ihre Pupillen leuchtete begierig auf. „Ich werde dich nicht enttäuschen.“
Nein, ganz sicher nicht.
Heute Abend, hatte er gesagt. Seit achtzehn Uhr tigerte Joana nun in ihrer Wohnung herum und wartete. Der Tag hatte sich wie zäher Kaugummi in die Länge gezogen. Kaugummi, den man so lange im Mund gelassen hatte, bis er bitter geworden war. Sie war bei ihrer Mutter gewesen und hatte mit ihr stundenlang über diese Clerica-Geschichte gesprochen. Natürlich hatte Mary alles gewusst. Jeder schien es gewusst zu haben, von ihr selbst einmal abgesehen.
Nicholas hatte sie nicht erwähnt. Nicht nur, weil es nicht möglich war, ehrlich über ihn zu sprechen. Wenn es nach Joana ging, sollte niemand aus ihrer Familie je von ihm erfahren. Sie sollten ihm nicht zu nahe kommen. Wer wusste, wie das enden mochte.
Später hatte sie mit Agnes telefoniert. Diese glaubte immer noch, dass Theodor sie neppte und war dementsprechend schlechter Laune. Sie ging davon aus, dass ihr Mentor selbst für Joanas Wandlung verantwortlich war und die Vorwürfe auf sie abzuwälzen versuchte, um den Verdacht von sich zu lenken. Es tat Joana leid, dass sie ihr nicht die Wahrheit sagen konnte.
So viele Lügen. Und noch mehr Sorgen. War er das wert?
Gegen halb neun ging sie nach draußen, setzte sich auf die Stufen der Haustür und wartete dort. Er sollte gar nicht erst reinkommen, lieber wollte sie ein Stück mit ihm spazieren gehen, auch wenn die Luft feucht war und nach Regen roch. Aber zumindest würden sie dann reden und nicht voreilig im Schlafzimmer verschwinden. Sie ärgerte sich über den blöden Gedanken. Sie war ja wohl noch in der Lage, mit dem Mann zu sprechen, ohne sofort an Sex zu denken. War sie? Sie schnaubte bitter. Das kurze, indigoblaue Chiffonkleid, in dem sie steckte, sprach eine andere Sprache. Seit wann trug sie sowas wieder? Wenigstens passte es noch.
Sein Wagen fuhr viel zu schnell in die kleine Seitenstraße ein, bremste abrupt und schoss rückwärts in eine Parklücke. Er stieg aus, hatte sie aber noch nicht entdeckt. Joana drückte sich ein wenig tiefer in den Hauseingang, um ihn zu beobachten. Mit einem saftigen Fluch knallte er die Tür zu. Dann sah er in die Richtung ihres Hauses, legte den Unterarm gegen das Autodach und ließ die Stirn darauf sinken. Nur ein, zwei Sekunden lang stand er so. Neben dem Ungetüm von Geländewagen wirkte seine Statur fast zierlich. Er atmete tief aus und rieb sich mit beiden Händen über die Augen. Als seine Arme sanken, wirkte sein Gesicht, als hätte er Schmerzen. Joana stutzte. Dann erst fiel ihr ein, warum er so niedergeschlagen aussah. Natürlich, er musste davon ausgehen, dass sie nicht da war. In ihrer Wohnung war es stockfinster. Sie schlug sich für ihre Blödheit vor die Stirn und sprang auf.
„Nicholas?“ Als sie aus dem Schatten trat, starrte er sie an wie einen Geist. „Hi.“
Er blieb am Wagen stehen. „Du bist hier?“
„Ja, sieht so aus. Und du bist wirklich gekommen.“
Eine winzige Delle erschien zwischen seinen Brauen und zeugte von Skepsis. „Du hast nicht ernsthaft dran gezweifelt, oder?“
Er hatte recht, was Joana zum lächeln brachte. „Gehen wir ein Stück?“
Seinem Gesichtsausdruck nach wollte er zunächst widersprechen. Er sah furchtbar müde aus. Doch dann nickte er und trat an ihre Seite. Sein Blick floss aus dem Augenwinkel an
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