Nyx - House of Night: Das Begleitbuch (German Edition)
unnachgiebiger Husten quält sie ebenso wie starke Schmerzen im Brustkorb, (die manchmal als großes Gewicht auf der Brust empfunden werden). Die Gesichtsfarbe wird blasser, Körperkraft und Appetit lassen schnell nach und, was noch schlimmer ist, beim Husten bildet sich ein Auswurf, oder „Sputum“, der mit der Zeit zäh und blutig wird, bis der Körper schließlich ganz ausgezehrt ist. „Die Erscheinung des Schwindsüchtigen,“ so schließt Bell, „verweist auf den nahen Tod – und auf den Vampir“ 24 Bells Beschreibungen der körperlichen Anzeichen der Schwindsucht spiegeln sich bereits in den ersten Kapiteln von
Gezeichnet
. Leser werden sich wahrscheinlich daran erinnern, wie Zoey ihre körperliche Verfassung schildert, nachdem sie Gezeichnet wurde und die physische Wandlung zum Vampir einsetzt. Zoey erzählt in
Gezeichnet
: „Und ich kriegte Schnupfen. Und nicht etwa so ein bisschen. Sondern so, dass ich mir die Nase am Ärmel abwischen musste (igitt).“ 25 Interessant ist auch, wie Bells Beschreibungen in
Betrogen
zum Vorschein kommen, wenn Stevie Rae und Eliots letzte Stunden geschildert werden (zum Beispiel in ihrem blutigen Husten). Bis schließlich im Moment des Todes „Blut ihr [Stevie Rae] aus Mund, Nase, Augen und Ohren [rann]“. 26 Diese Szene erinnert doch auf geradezu gruselige Weise an die Beobachtungen der europäischen Dorfbewohner bei der Exhumierung von Toten, wie wir sie auf den vorangegangenen Seiten kennen gelernt haben.
Wo wir gerade wieder beim europäischen Volksglauben sind, werfen wir doch einen kurzen Blick auf die Art und Weise, wie die toten Jungvampyre bei ihren Wanderungen beobachtet werden; meist in der Nacht nach ihrem Tod oder in einer der folgenden. Es ist spannend zu sehen, wie diese Szenen bis ins Detail den Berichten von „Augenzeugen“ aus Europa nachempfunden sind, die Wiedergänger zu sehen glaubten: Deren Verhalten ist in den erhaltenen Schilderungen ganz ähnlich beschrieben. Während jedoch dieses Verhalten in der H OUSE OF N IGHT -Reihe leicht durch die historischen Berichte von Wiedergängern in Europa erklärt werden kann, hat das Fehlen einer Seele bei Stevie Rae und anderen roten Jungvampyren kein ebenso klares oder durchgängiges Vorbild.
Da der Aberglaube an Wiedergänger und ihre Seelen je nach Region oder Kultur ganz unterschiedliche Formen annimmt, würde ein umfassender Überblick den Rahmen dieses Buchs sprengen. Ein kurzer Seitenblick zeigt jedoch, dass manche Dorfbewohner in Europa glaubten, der menschliche Körper beherberge mehr als nur eine Seele, und dass eine dieser Seelen, die „weniger menschliche“, nach dem Tod im Körper zurückbliebe, um die Verwesung zu erleichtern. Das ist natürlich nur eine Interpretation des „Seelenproblems“ in der Vampir-Mythologie, und wenn sich einige Leser noch tiefer in die Materie einarbeiten möchten, werden sie auf eine wahre Vielfalt befremdlicher Erklärungen stoßen. So glaubten beispielsweise manche Kulturen (ganz verkürzt geschildert), dass ein bösartiger Besetzer-Geist den freigewordenen Raum, den zuvor die dahingeschiedene Seele des Verstorbenen inne hatte, einnehmen konnte, so dass dieser sozusagen posthum von einem Dämon besessen war. Andere wiederum glaubten, dass es vielmehr die Seele des Toten selbst war, die (bösartig geworden) den Körper nach dem Tod besetzt hielt und sich wegen eines vorzeitigen Dahinscheidens – etwa durch Selbstmord, Mord oder Unfalltod – weigerte, ins Jenseits hinüberzuwechseln. Auch ein Leben in Sünde – sogar wegen Alkoholismus – konnte an diesem Dilemma Schuld sein.
Eine weitere Eigenschaft, die wir bei Stevie Rae oder anderen roten Jungvampyren beobachten können, ist ein übler Gestank oder ein anstößiger Körpergeruch, der auf die Vorstellungen ähnlicher Gerüche bei Vampiren im Volksglauben zurückzugehen scheint (auch wenn wir später erfahren, dass vieles in diesem Zusammenhang auf einen vernachlässigten Gebrauch der Duschen zurückzuführen ist). Während des Verwesungsprozesses erzeugt der Körper einen fauligen Gestank und, wie zuvor beschrieben, schien den Bewohnern wärmerer Gegenden ein solcher Gestank bei einer Leiche ein Anzeichen von Vampirismus zu sein. Damals glaubte man, dass üble Gerüche Ansteckungen und Krankheiten im wörtlichen Sinne in sich trugen – ganz wie man heute oft glaubt, dass ein kühler Luftzug Krankheiten überträgt. Die Dorfbewohner begannen, (vor allem) Knoblauch, aber auch Parfum und andere stark
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