Nyx - House of Night: Das Begleitbuch (German Edition)
zu den Elementen, aber erst ihr Tattoo stellt sicher, dass jeder erkennt, wer die Hand über sie hält.
Auch die Farbe, in der die Jungvampyre Gezeichnet sind, symbolisiert auf gewisse Weise ihren Status. Während die Mondsichel auf ihrer Stirn sie als Mitglieder der Vampyrgesellschaft ausweist, zeigt die Farbe ihre Andersartigkeit. Blaue Vampyre gegen rote. Die etablierte Ordnung gegen die Außenseiter. Oder aus Sicht eines Menschen: die fürchterlichen Außenseiter gegen die
wahrhaft
fürchterlichen Außenseiter.
Vom antiken Rom wird berichtet, dass Sklaven und Kriminelle gekennzeichnet wurden, sodass man sie leicht erkennen und andere auf die Stellung des Sklaven in der „Hackordnung“ aufmerksam machen konnte. Versuchte ein Sklave zu fliehen oder wurde er des Diebstahls oder der Lüge überführt, wurden ihm bestimmte Zeichen auf die Stirn gebrannt, sodass jeder von dem Vergehen erfuhr. Auch wenn man dieses Vorgehen gerne als archaisch betrachten möchte, so muss man an dieser Stelle anmerken, dass auch die Nazis zur Zeit des Zweiten Weltkriegs die sogenannten „Untermenschen“ in den Konzentrationslagern durch Tätowierungen am Unterarm kennzeichneten.
Jungvampyre sehen rot
Die Farbe des Stirnmals der roten Jungvampyre verdient unsere besondere Aufmerksamkeit. Es wäre den Autorinnen natürlich ein Leichtes gewesen, das ursprünglich saphirblaue Mal bei Stevie Rae und den anderen beizubehalten und ein anderes Zeichen ihres Status als „Vampyre 2.0“ zu wählen. Doch sie haben sich entschieden, die Farbe des Tattoos zu ändern. Saphirblau ist eine beruhigende Farbe, die eher mit Melancholie in Verbindung gebracht wird als mit dem animalischen Verlangen zu töten. Rot dagegen ist eine kräftige Farbe, die traditionell für Blut, Gewalt und Zorn (eine der sieben Todsünden) steht. Die Veränderung im Mal der roten jungvampyre ist ein deutliches Zeichen, dass sie eine potenzielle Gefahr für jeden darstellen – sogar für ihre eigene Art.
GESELLSCHAFTLICHER RANG
Wenn man seinem Körper ein Zeichen zufügt, so kennzeichnet man sich selbst als Angehöriger eines bestimmten Stammes und als Außenseiter in anderen Kreisen – man erklärt seinen gesellschaftlichen Rang, wer man ist und wohin man gehört.
Mitglieder in Straßen- und Gefängnisbanden wählen bestimmte Kleidungsfarben oder Graffiti-Stile, um ihr Territorium zu markieren und sich von anderen abzugrenzen. Banden-Tattoos senden auf ähnliche Weise visuelle Signale an die Mitglieder der eigenen Bande wie auch an alle, die sich ihr entgegenstellen. Doch die Botschaft ist nicht nur an die Gegner der Bande gerichtet. Der Website
Ganglnk.com
, einer Spezialseite für Banden-Tattoos, zufolge, sind „Bandenmitglieder besonders stolz, sich selbst als jemand zu brandmarken, der außerhalb der etablierten Gesellschaft steht.“
Stärkere Geschütze
Da Tattoos längst alltäglich geworden sind, wenden sich manche, die ein klareres Zeichen ihres gesellschaftlichen Rangs tragen möchten, der Skarifizierung zu. Diese Methode (bei der in den oberen Hautschichten durch Brandwunden oder Schnitte ein Muster aus Narben entsteht) ist nichts für Hasenherzen. In der Region Sepik, in Papua-Neuguinea, wird jungen Männern beispielsweise die Haut an Rücken, Brust oder Gesäß mit scharfen Bambusstöcken eingeritzt – ein unglaublich langwieriges und schmerzhaftes Verfahren. Das Ergebnis ist ein Muster, das für die Bissspuren des Krokodils steht. Das Krokoldil wiederum hat im Glauben des Stammes die Menschen geschaffen. So erweist man dem Göttlichen seine Ehrerbietung. Da der hohe Melanin-Anteil der Haut bei den afrikanischen Kulturen südlich der Sahara das Tätowieren erschwert, trifft man dort am häufigsten auf Skarifikationen. Heute hat diese Technik den Weg über die Ozeane nach Europa und Amerika gefunden. In den 1980er Jahren waren es die Schwulen und Lesben von San Francisco, die sie als erste für sick entdeckten. Während der Neunzigerjahre breitete sich der Hautschmuck dann in den ganzen USA aus.
Ganz gleich, welche Beweggründe man hat, sich für Körperschmuck zu entscheiden (falls man kein Vampyr ist und somit keine Wahl hat), ein Tattoo wirkt immer als Abgrenzung – und das kann ganz greifbare gesellschaftliche Folgen haben. Bestimmte Arbeitgeber (wie Starbucks zum Beispiel) stellen zwar tätowiertes Personal ein, verlangen aber, dass diese das Tattoo bedecken, sodass Kunden nicht abgeschreckt werden. Was in einem bestimmten Zusammenhang ein
Weitere Kostenlose Bücher