Nyx - House of Night: Das Begleitbuch (German Edition)
Zeichen der Zugehörigkeit ist, kann in einem anderen der Beweis der Andersartigkeit sein – und damit zum Vorwand für Diskriminierung werden.
Angehörige der Vampyrgesellschaft sind etwas Besonderes. Jungvampyre werden Teil einer Kultur mit einer umfangreichen Geschichte, auf die sie stolz sein können. Dennoch hat das Mal unmittelbare soziale Folgen für seinen Träger. Nach Zoeys Begegnung mit dem Vampyrspäher betrachtet ihre beste Freundin Kayla das Mal mit Schrecken und Abscheu, als sei Zoey auf einmal eine andere Person. Aus menschlicher Sicht betrachtet hat sie nicht ganz unrecht. In gewisser Weise gibt es die alte Zoey nicht mehr, sie ist nun eine Kreatur der Nacht. Und der Aberglaube ist nun einmal, genau wie ein Vampyr, nur schwer totzukriegen.
Zoeys Mal macht sie in den Augen ihrer Eltern zur Ausgeburt des Bösen. Als ihr Stiefvater es sieht, nennt er sie sogleich „Satan“. Hier greifen die Autorinnen keinesfalls auf dichterische Freiheit zurück: Einige fundamentalistische christliche Gemeinschaften glauben, dass Tätowierungen jeder Art eine Ausgeburt der Hölle sind, in Tätowierstudios der Dämon regiert und nur gottlose Gestalten derlei auf ihrer Haut tragen. (Obwohl diesen Hardlinern andere Christen entgegenhalten, dass Tattoos keinesfalls das Böse in sich tragen – nicht anders als anderer Körperschmuck auch.)
RELIGION UND SPIRITUALITÄT
Tätowierungen aus spirituellen Gründen sind so alt wie die Religionen. Bei den frühen Menschen brachte das Tätowieren drei Aspekte mit sich, die stark an spirituell motivierte Handlungen und Opfer erinnern: Feuer, Blut und Schmerz – wirkungsvolle Mittel, wenn man die Götter auf sich aufmerksam machen möchte. Fand man Gefallen bei der Gottheit, so entwickelte sich alles zum Guten. Falls nicht, musste vielleicht bald ein neues Tattoo her.
Tätowierungen waren auch nach dem Tod eine große Hilfe. In der Kultur der Sioux glaubte man, dass ein Krieger nach seinem Dahinscheiden ein Geisterpferd besteigen und ins Land der „Vielen Hütten“ reiten würde. Auf seiner Reise dorthin würde ihm eine alte Frau den Weg versperren. Konnte er dann nicht bestimmte Tattoos vorweisen, so musste er in unsere Welt zurückkehren und auf ewig als Geist umherirren.
Tattoos als Therapie
Tätowierungen waren nicht nur für die geistige Gesundheit förderlich. Manche Forscher glauben, dass sie auch zu Heilzwecken eingesetzt wurden – sie waren also möglicherweise eine Vorform rezeptfreier Medikamente. Die Mumie des Eismenschen Ötzi, von dem bereits die Rede war, trug über 50 einzelne Tattoos. Besonders bedeutsam ist ihre Platzierung: entlang der Lendenwirbelsäule, um das Knie sowie um die Knöchel herum. Es sind möglicherweise Versuche, Arthritis oder andere Gelenkerkrankungen zu bekämpfen. Die Ojibwa-Indianer bei uns in Nordamerika ließen sich, wenn sie an Kopf- oder Zahnschmerzen litten, bleibende Zeichen in Wangen, Schläfen oder die Stirn stecken, um den Schmerz zu lindern.
Manche Kulturen glaubten, man könne den Schutz eines bestimmten Tieres heraufbeschwören, indem man sich sein Bild in die Haut stechen ließ. Das ist eine wichtige Überlebenstaktik in einer Welt, in der Menschen noch als leckere Mahlzeiten auf zwei Beinen galten. Trug man das Abbild eines Tiers auf der Haut, so wurden auch dessen Eigenschaften auf die eigene Person übertragen. So gab das Bild eines Fuchses seinem Träger die Schläue, die man diesem Tier für gewöhnlich zuschreibt, eine Eule stand für Weisheit oder ein Löwe für Kraft. In der Tradition der Cherokee erhielt man selbst die scharfen Augen eines Adlers, wenn man sie sich um die eigenen Augen herum tätowieren oder aufmalen ließ.
Selbst das Christentum hatte einst etwas für Tätowierungen übrig. Hatten frühe Gläubige die anstrengende Reise ins Heilige Land hinter sich gebracht, ließen sich einige von ihnen, in Erinnerung an die Pilgerfahrt und um ihren Glauben zur Schau zu stellen, die Hände oder das Gesicht tätowieren. Diese Praxis geriet während der Herrschaft von Kaiser Konstantin (306-337 n. Chr.) in Verruf. Der Kaiser fand, dass Tätowierungen die „als Gottes Abbild“ geschaffenen Menschen entstellte und bezog sich dabei mit Sicherheit auf das Verbot im Buch Leviticus (19:28), sich Zeichen einritzen zu lassen. Vom Jahr 787 an waren Tätowierungen in England verboten, und schon während des Mittelalters galten Tätowierte als Außenseiter und manchmal sogar als Ausgeburt des Bösen.
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