Oase der Versuchung
Betrugs und Unterschlagung, die er in Zohayd begangen haben sollte, der Prozess gemacht worden. Im Moment verbüßte er eine fünfjährige Haftstrafe in einem Hochsicherheitsgefängnis. Auch nach aktuellen Informationen saß er gut verwahrt in seiner Zelle.
Vielleicht hatte der entführte Mann rein zufällig diesen Namen angenommen – oder er gab sich gezielt als T. J. Burke aus. In diesem Fall musste er ein Spion sein. Verblüffend, dass ihm die Geheimhaltung seiner Absichten und Pläne so gut gelungen war. Außerdem wusste Hassan nicht, mit wem oder für wen dieser Mann arbeitete.
Aber wer auch immer dieser T. J. Burke war, Hassan würde ihn auf jeden Fall retten. Und wenn sie erst in Sicherheit waren, würde er schon etwas aus ihm herausbekommen.
Falls der Mann wirklich wusste, was Hassan hoffte – oder treffender: fürchtete –, würde er nach dem Preis dieser unschätzbar wertvollen Information fragen. Und freiwillig das Doppelte dafür zahlen, damit der Mann niemandem sonst davon erzählte.
Allmählich nickten die Wachen vor dem Feuer ein. Hassan gab Munsoor, seinem Ersten Offizier, ein Zeichen, das dieser an Yazeed an der Südseite der Hütte weitergab. Und Yazeed wiederum gab es weiter an Mohab an der Westseite.
Zwei Mal feuerten sie gleichzeitig Betäubungspfeile ab, und keiner von ihnen verfehlte sein Ziel. Hassan sprang auf und erreichte mit wenigen Sätzen die Steinstufen vor dem Eingang. Blitzschnell waren seine Leute bei ihm.
Die Männer und er nickten einander kurz zu. Im gespenstischen Schein des Feuers, das außer den Sternen die einzige Lichtquelle bildete, wirkten ihre Gesichter unwirklich verzerrt.
Sie würden mit allem fertig werden, komme, was da wolle. Los!
Er drückte gegen die Tür, die sich quietschend öffnete. Laut durchdrang das Geräusch die nächtliche Stille. Hassan blickte sich im Halbdunkel um. Von Burke keine Spur. Aber eine verzogene Brettertür führte in ein weiteres Zimmer. Dort musste er sein.
Hassan betrat den Raum und sah sofort den schlanken, sandfarben gekleideten Mann mit kurz geschnittenem Bart.
Es schien eine kleine Ewigkeit zu vergehen, als sich ihre Blicke trafen. Trotz des schlechten Lichts fielen Hassan die helle Haut und die goldblonden Haare des Mannes auf – und die ausdrucksstarken Augen, die azurblau zu leuchten schienen.
Im nächsten Moment erkannte er, dass sie sich in einer Art einfachem Badezimmer befanden – aber Burke war nur hier drin, weil er versuchte, auszubrechen. Das über Kopfhöhe gelegene Fenster hatte er bereits geöffnet. Und das mit vor dem Körper gefesselten Händen!
Hassan war sich sicher, dass die Entführer ihm ursprünglich die Hände auf den Rücken gefesselt hatten und Burke sich bereits so weit befreit hatte, dass er sie zumindest eingeschränkt benutzen konnte. Offenbar war er ein durchtrainierter Mann, der viele Überlebenstechniken beherrschte. Eine Minute noch, und er wäre aus eigener Kraft entkommen.
Da Burke nicht wusste, dass eine Flucht ihn ins Nichts führen würde, war er vermutlich bewusstlos oder mit verbundenen Augen hergebracht worden. Aber aus seinem Blick sprach so viel Mut, dass Hassan sich sicher war: Der Mann wäre so oder so geflohen. Er war der Typ, der sich lieber bei einem Ausbruchsversuch erschießen ließ, als auf Knien um sein Leben zu flehen. Er war klug, einfallsreich – und furchtlos.
Aber sein Leben war in höchster Gefahr. Hassan musste ihm helfen.
Es bestand kein Zweifel, dass die Entführer Burke töten würden, damit er den Aal Shalaans nichts verriet.
Also durften sie keine Zeit verlieren! Er stürzte auf den Mann zu und packte ihn am Arm. Im nächsten Augenblick fühlte er sich, als hätte ihn eine Rakete im Gesicht getroffen. Es dauerte etwas, bis Hassan begriff: Der Mann hatte ihm einen satten Kinnhacken versetzt!
Benommen wich Hassan zunächst den Schlägen des Mannes aus.
Dann griff er ihn an und versuchte, ihn durch eine feste Umklammerung kampfunfähig zu machen. Auf weiteren Kontakt mit den eisenharten Fäusten Burkes konnte er verzichten …
Burke gab nicht auf, und beinahe gelang es ihm, freizukommen.
„Hören Sie auf, sich zu wehren“, flüsterte Hassan. „Ich will Ihnen doch helfen!“
Entweder lag es an dem Tuch vor Hassans Gesicht, dass der Mann ihn nicht verstand, oder er glaubte ihm nicht. Jedenfalls bekam Hassan einen so heftigen Tritt gegen das Schienbein, dass er fast in die Knie ging.
Er konnte kaum glauben, wie stark und schnell dieser kleine,
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