Oben ohne
muss arbeiten, in der Schweiz gibt es nicht so viele Urlaubstage, und kommt nicht mit. Aber selbst wenn er Zeit hätte – ich will es gar nicht. Natürlich kann ich auch eine Freundin fragen. Aber irgendetwas sträubt sich dagegen. Es klingt vielleicht seltsam, aber eigentlich mache ich das lieber allein.
Also fahre ich allein in den Norden.
OMAS BLUT
Juni 2003
Vor wenigen Wochen ist das Zentrum umgezogen: von Bonn nach Köln. Ich muss also zuerst zu der Verabredung mit Professor Rita Schmutzler an die Uniklinik Köln, danach treffe ich mich mit meiner Schwester in Bonn. Es sind Pfingstferien, 11. Juni 2003, noch ist Frühling, aber die Sonne brennt schon ordentlich. Ich habe mir alles ausgedruckt, am Kölner Hauptbahnhof geht’s in die U-Bahn, danach steige ich in die Straßenbahn um. Viele Menschen aus anderen Kulturen sind hier unterwegs, das ist für Freiburger Augen immer ungewöhnlich. Normalerweise genieße ich das, heute bin ich eher irritiert. In der U-Bahn-Station bin ich erst mal orientierungslos. Wo geht es hier nach oben, wo ist die richtige Richtung? »Lassen Sie Ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt!« Diese Durchsage wird ständig wiederholt. Köln, Stadt der Taschendiebe! Heute nervt mich das, sonst würde ich darüber lachen. Oben komme ich auf einen größeren Platz, auf dem Markt ist. Auch hier ist die Hölle los. Ich schiebe mich mit meinem großen Rucksack durch die Menge, darin habe ich Schlafsack und Isomatte, außerdem noch einen Satz Klassenarbeiten, denn im Zug lässt sich die Zeit immer gut zum Korrigieren nutzen. Schließlich finde ich die richtige Haltestelle für die Tram in Richtung Uniklinik.
Kerpener Straße, ich steige aus und marschiere zur Pforte.
Der Pförtner schickt mich weiter, und ich lande bei einer Frau hinter einem Schalter, die mir sofort einen Fragebogen in die Hand drückt.
Brav fange ich an, Kreuzchen zu machen. Aber irgendwie läuft hier etwas falsch. Ich schaue mir den Fragebogen genauer an und stelle fest, dass man mich gerade stationär aufnehmen will.
»Entschuldigung, ist das hier nicht das Zentrum für familiären Brustkrebs?«
Davon hat die Frau noch gar nichts gehört, und sie geht eine Kollegin fragen.
Schließlich kommt sie wieder und erklärt mir jetzt hoffentlich den richtigen Weg. Ich mache mich wieder auf, laufe durch die weiten Flure, die unnachahmlich nach Krankenhaus riechen, und klopfe schließlich an eine Tür. Am anderen Ende des Flurs sehe ich eine junge Frau im Rollstuhl. Sie hat eine Glatze.
»Herein!«
Hier bin ich schließlich richtig. Die Sekretärin, eine rheinische Frohnatur, hat mich erwartet und begrüßt mich herzlich.
»Haben Sie alles gefunden? Was, Sie sind jetzt von Freiburg gekommen … «
Sie wundert sich etwas über meinen weiten Weg, und ich berichte von meiner Schwester in Bonn.
Wir verstauen meinen Rucksack, und ich nehme im Wartezimmer Platz. An den Wänden hängen einige Fotos von kleinen Babys. »Wie passend«, denke ich ironisch. Ich muss zunächst einen psychologischen Test ausfüllen. Fragen nach Schlafstörungen, Appetitlosigkeit oder anderweitigen Problemen sollen auf grundsätzliche persönliche Schwierigkeiten der Ratsuchenden hinweisen. Bei mir ist alles so weit in Ordnung, ich fülle den Bogen entsprechend zügig aus.
Eine Tür geht auf, und Rita Schmutzler, die Leiterin des Zentrums, drückt mir die Hand. Sie hat ihre braunen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und sieht hübsch und sympathisch aus. »Entschuldigen Sie, durch den Umzug ist das alles noch ein wenig provisorisch.« Für eine Professorin ist sie ziemlich jung, finde ich. Zumindest sieht sie jung aus.
Nach kurzer Suche finden wir einen freien Raum. Sie stellt mir erst schnell das Zentrum vor und informiert mich über die wissenschaftliche Studie, an der ich teilnehmen kann. Das hätte für mich den handfesten Vorteil, dass die jährliche Kernspinuntersuchung bezahlt wird. Diese Vorsorgemaßnahme ist noch nicht in die Regelversorgung der Krankenkassen aufgenommen. Die entstehenden Kosten werden aus dem Studientopf bezahlt. Außerdem wird man als Studienteilnehmer natürlich immer über Neuerungen informiert. Als sie fertig ist, erkläre ich ihr, dass ich hier bin, um mich testen zu lassen. Diesen ganzen Vorlauf mit Beratung, Bedenkzeit, nochmaliger Beratung und so weiter können wir uns von meiner Seite aus gerne sparen.
»Okay, Frau Heeg, lassen Sie uns erst mal Ihre familiäre Situation besprechen.«
Ich gebe mal wieder die
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