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Oberwasser

Oberwasser

Titel: Oberwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Freibeuter, Quertreiber, Revoluzzer und Rebellen. Er konnte sich noch gut an eine Episode erinnern, als er in Tegernsee stationiert war. Die Polizei musste eine richterlich angeordnete Haussuchung bei einem ortsbekannten Wilderer durchführen. Im Haus waren die Wände über und über mit Hirschgeweihen und Krickerln bedeckt gewesen.
    »Habe ich alles auf dem Flohmarkt gekauft!«
    Natürlich, was sonst! Draußen im Garten weideten junge Gemsen. Eine davon war so klein, dass der Wilderer sie mit dem Milchfläschchen aufziehen musste.
    »Die Eltern der Kitze sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen!« Na klar! Beim Rückweg war das Polizeiauto mit Eiern und Steinen beworfen worden.
     
    Schnäuzelchen wechselte die Straßenseite. Da vorne kreuzte die Innsbrucker Straße. Jetzt war es soweit. Das grüne Blaulichtmonster schoss heran, stellte sich quer und versuchte ihm den Weg abzuschneiden. Polizeiobermeister Ostler saß am Steuer, Nicole riss die Tür auf und sprang mit gezogener Dienstpistole heraus.
    »Halt, bleiben Sie stehen«, rief sie. Er blieb nicht stehen, und die Verfolgungsjagd begann. Sie musste achtgeben, dass sie ihn nicht einholte, sie war eine gute Kurzstreckenläuferin. Sie wollten die Innsbrucker Straße entlanglaufen, dann weiter auf der Koppelstraße, die ortsauswärts führte. Der Plan sah vor, dass ihm Nicole ein paar hundert Meter nachrannte, dann erschöpft sitzen blieb. Er sollte in Richtung Herrschlbauer-Wiese laufen, die etwas unterhalb der Straße lag. An einer nicht einsehbaren Stelle sollte ihn Ostler mit dem Polizeiwagen einsammeln. Noch lief Nicole hinter ihm und hielt brav Abstand. Sie war noch nicht so außer Atem wie er, sie hätte ihn leicht einholen können.
    Komisch, dachte sich der Rothe Heiner, der Jugendtrainer der Leichtathletikgemeinschaft Werdenfels, der gemütlich auf der Gartenbank saß und ein Pfeifchen Koriander rauchte, komisch, die Polizistin hat so eine gute Sprinttechnik und kommt ihm nicht hinterher. Nicoles Mann hatte noch etwa sechs- oder siebenhundert Meter zu laufen. Nicole schrie in gewissen Abständen
Halt, stehenbleiben!
, einmal schoss sie sogar in die Luft, das fand er etwas zu dramatisch, aber so war es ausgemacht. Vor ihm lag schon die Herrschlbauer-Wiese, gleich musste er den Fußweg nehmen, der hinunterführte. Und dann geschah etwas ganz und gar Unerwartetes. Ein Pick-up, ein Truck, irgendein großer Ami-Schlitten jedenfalls überholte ihn und bremste mit kreischenden Reifen, sein erster Blick fiel auf das Nummernschild: Es war abgeklebt. Der Pick-up blieb stehen und verwehrte ihm so den Weg nach unten in den Hohlweg. Es war ein amerikanischer Chevrolet mit einer offenen Ladefläche, wie es viele im Landkreis gab. Was war das für ein Knallkopf? Vielleicht ein zugekiffter GI , der auf die Idee gekommen war, die deutsche Polizei zu unterstützen? Schnäuzelchen überlegte. Sollte er auf das freie Feld hinauslaufen? Da würde ihm bald die Puste ausgehen, das wusste er. Er blieb stehen und stützte sich mit den Händen auf den Oberschenkeln auf.
    »Spring rauf, Dummkopf!«
    Das war eine schrille Frauenstimme, er schaute hoch, und er sah, dass ihm die Fahrerin des Pick-ups winkte. Mist, jetzt musste er das Spiel mitmachen! Er nahm Anlauf und sprang mit einem Satz auf die Ladefläche des Chevrolet. Er war vollkommen außer Atem. In fünfzig Meter Entfernung stand Nicole, mit der Dienstwaffe in der Hand. Sie stützte sich ebenfalls mit den Händen auf den Oberschenkeln auf. Fast wäre er wieder von der Ladefläche gerutscht, so ruckartig startete die Irre da vorne durch. Die Reifen drehten durch, er selbst konnte sich gerade noch mit der Hand an einem Bügel im Inneren des Laderaums festhalten. Das Gesicht Nicoles wurde immer kleiner, sie schoss noch einmal in die Luft, dann war sie verschwunden. Es war eine Wahnsinnsfahrerin, die ihn da aufgelesen hatte. Sie bretterte die Straße ortsauswärts, ihm wurde langsam übel. Wieder herunterzuspringen hatte keinen Sinn mehr, dazu hatte der Wagen viel zu viel Fahrt aufgenommen. Er stützte sich mit den Füßen so gut es ging ab, er spreizte sich ein, um von dieser Teufelin nicht abgeschüttelt zu werden. Hatte er vorher nicht noch eine Gestalt auf dem Beifahrersitz gesehen? Egal. Jetzt kam eine Steigung. Das musste die Straße sein, die zum Riessersee hinauf führte. Der Jeep legte sich in die Kurven. Es hatte gar keinen Sinn, etwas nach vorne zu schreien. Und eines war klar: Da oben am See war Endstation, da

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