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Oberwasser

Oberwasser

Titel: Oberwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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sich ja an wie eine Bäckerei. Er fand, sein Firmenname musste etwas mit einer Münze zu tun haben. Crapf’s Coin Cooperation? Oder Coin & Abel Cooperation Crapf? Der Auktionsheini mit der lilablassblauen Krawatte empfing ihn höflich, wenn auch leicht herablassend. Krapf folgte ihm in ein Büro mit Blick auf den Main, an den Wänden hingen vergrößerte Fotos von brüchigen Münzen.
    »Sie haben per E-mail angedeutet, dass Sie im Besitz eines spanisch-alemannischen Silber-Escudos sind?«
    Herablassendes Lächeln plus eine Spur Nervosität. Krapf nickte.
    »Haben Sie ihn bei sich?«
    Krapf öffnete sein Hemd und fingerte nach seinem Brustbeutel, der Krawattenknüpfer streifte Plastikhandschuhe über, setzte sich eine Uhrmacherlupe auf, stellte ein silbernes Schälchen auf den Tisch, so etwas wie eine OP -Nierenschale aus Edelstahl, nur nicht so blutig. Er bedeutete Krapf, dem künftigen Chef der Weltfirma Coin & Abel, die Münze dort hineinzulegen. Der Lupengucker mit dem lilablassblauen Schlips warf einen Blick darauf. Krapf war zu jung, um Blicke zu interpretieren, (so richtig kann man das auch erst mit hundertzwanzig), es schien ihm, dass der Numismatiker erstarrt war. Er schwieg jedenfalls und blickte regungslos geradeaus. Was mochte das bedeuten? Hatte er eben gesehen, dass der Silber-Escudo noch wesentlich wertvoller war als ursprünglich angenommen? War der zerkratzte Silberling so unendlich kostbar, dass er sich nicht nur eine eigene Firma leisten, sondern dass er bei Apple als Mehrheitsteilhaber einsteigen konnte? Der Schlipsträger räusperte sich.
     
    »Herr Krapf, das ist leider kein Silber-Escudo.«
    Krapf wunderte sich über seine eigene Reaktion. Er war nicht ganz furchtbar enttäuscht, galaktisch frustriert. Irgendwie fühlte er sich sogar erleichtert.
    »Kein Silber-Escudo, so. Ich bin von meinem – äh – spanischen Händler darüber informiert worden, dass es ein Escudo ist.«
    Krapf hatte den Eindruck, dass ihn die lilablassblaue Krawatte mitleidig anblickte
    »Hoffentlich haben Sie nicht allzu viel dafür bezahlt, Herr Krapf. Die Münze hat lediglich die Prägung von einem Escudo. Das war in der Zeit um 1790 ziemlich Mode, aus einem relativ wertlosen Material und in anderer Größe eine berühmte Münze zu kopieren und als Ziermünze zu verwenden.«
    »Was meinen Sie mit Ziermünze?«
    »Was Sie mir gebracht haben, ist keine Münze des Zahlungsverkehrs. Es ist Schmuck.«
    »Hä? Schmuck?«
    »Schmuck, wie ihn Frauen tragen, Herr Krapf.«
    Und dafür war er in den engen Gassen Màlagas fast hopsgegangen.
    »Was für Schmuck?«
    Krapf klang wieder heiser.
    »Das ist nicht mein Gebiet. Sie müssen sich an einen Volkskundler, einen Brauchtumsforscher oder so jemanden wenden. Versuchen Sie es einmal an der Universität.«
    Der Gutachter nahm die Münze aus dem Silberschälchen und schob sie Krapf hin.
    »Haben Sie die Inschrift auf der Rückseite schon bemerkt?«, fragte er.
    Krapf nickte. Jetzt war es auch schon egal.
    »Ja, habe ich. Es ist irgendetwas Biblisches. Lukas  IV oder so. Es geschah in jenen Tagen, Mariaundjosef, Sie wissen schon.«
    Die Krawatte nickte.
    »Wenn man es umgekehrt hält, könnte man es auch als Matthäus  VII , 24 lesen.«
    »Matthäus  VII , 24 ?«
    »Als nun der Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein, denn es war auf Fels gebaut.«
    Krapf packte die Münze ein, verabschiedete sich höflich und fuhr wieder heim.
     
    Dreitausend Kilometer weiter südlich, nicht weit von Fès, am Strand von Casablanca, saßen vier junge Menschen: Dirk, die Mathe-Niete, Fuzzy, der eventuelle Mediziner, Flo, der Kreative mit den unscharfen Zukunftsplänen – und die sommersprossige Tina. Sie blickten hinaus aufs Meer und Flo malte mit den Zehenspitzen Zeichen in den Sand.
    »Was bedeutet denn das?«, fragte Dirk.
    »Das ist das Graffiti-Zeichen für einen Hoax«, sagte Flo, der im Leistungskunst Kunst ziemlich abgeräumt hatte.
    »Ein Hoax, aha.«
    »Ja, ein
Ätsch!
, eine Ente, ein Rübenreiben – mit zwei Zeigefingern. Der Unterstrich darf natürlich nicht fehlen, sonst heißt es etwas anderes.«
    »Und was heißt es dann?«
    »Hab ich vergessen, ich bin kein verdammter BubbleWriter auf Eisenbahnwaggons.«
    »Ich weiß, du bist Kupferstecher. Du verzierst ja sogar Münzen.«
    Flo war der Snob unter ihnen. Hatte er doch ein kleines Reise-Set für Kaltnadelradierungen

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