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Oberwasser

Oberwasser

Titel: Oberwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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beruhigt. Fritz schnupperte in der Sakristei herum, im Kirchenschiff und auf der Empore. So viel Weihrauch hatte er wohl noch nie eingeatmet. Er verhielt sich jedoch ruhig.
     
    »Wie läuft es eigentlich mit unserem Wildschütz, Becker?«, fragte Jennerwein, als sie den Kirchhof verlassen hatten.
    »Sehr gut! Ihre Idee ist voll aufgegangen. Wir bekommen jede Menge Informationen.«
    »Gerade eben war wieder eine interessante dabei«, sagte Stengele. »Da wird doch das neue Hotel gebaut. Ein Luxushotel für die Geldigen. Es sind ausländische Investoren, die Anlage ist riesig, die Tunnel, die gegraben wurden, sind unübersichtlich. Ich werde da mal vorbeischauen. Vielleicht kann ich Fritz mitnehmen.«
    »Becker, lassen Sie den Wilderer trotzdem mal wieder im Ort erscheinen«, sagte Jennerwein. »Sein letzter Auftritt ist schon zwei Tage her, das Interesse der Bevölkerung sollte nicht erlahmen.«
    »Wie wäre es, wenn Nicoles Mann just zu der Zeit durch den Ort läuft, wenn wir den Mühlbach mit Gisela untersuchen?«
    »Chapeau, Becker.«
     
    Jennerwein war schon als Kind ausgesprochen hartnäckig gewesen.
    »Traut sich denn der Teufel überhaupt in die Kirche hinein?«, hatte er damals seine Oma gefragt. »Da drinnen wimmelt es doch nur so von Kreuzen!«
    »Vielleicht geht er rein ohne hinzuschauen!«
    »Steht er nicht eher draußen vor der Kirchentür, vielleicht sogar vor der Kirchhofsmauer und hält die Kinder dort vom Kirchgang ab?«
    »Vielleicht klingelt er schon in aller Früh bei den Kindern. Dann überredet er sie, nicht in die Kirche zu gehen.«
     
    Seitdem musste Jennerwein oft an diese Geschichte denken, wenn es an der Tür klingelte.

32 .
    Die Familienzusammenführung mit seiner Frau hatte sich Schnäuzelchen ganz anders vorgestellt, aber ganz anders. Auf jeden Fall gemütlicher. Jetzt lief er schon seit zehn Minuten mit geschwärztem Gesicht über die Kuhweiden am Rande des Kurorts, und die ungewohnte Wilderertracht kniff ihn an allen Ecken und Enden.
     
    Nicoles Ehemann – und niemand anderer als er war Schnäuzelchen – war gut in Form, er war einmal ein ausgezeichneter Langstreckenläufer gewesen, über die 5000 -Meter-Distanz hatte ihm im Polizeisportverein niemand etwas vormachen können, er war bei allen Wettbewerben unter neunzehn Minuten geblieben. Nicht zuletzt wegen seiner läuferischen Fähigkeiten war er für diesen verdeckten Auftrag ausgewählt worden. Als Einsatzort hatte sich das Polizeiteam auf die viel beradelten und gerne bewanderten Wege geeinigt, die zum beliebten Ausflugsziel Riessersee führten. Während Nicole vermutlich noch gemütlich im Auto saß, trabte Schnäuzelchen die Ochsenangerstraße hinunter. Damit man seinen Weg zur Pension Panoramablick, in der er wohnte, nicht zurückverfolgen konnte, hatte er sich über einige Umwege hierher geschlichen, sich hinter einem Heuschober umgekleidet, um dann erst seinen Schaulauf zu starten. Als er in die St.-Martin-Straße einbog, blieben auch schon die ersten Passanten stehen. Sie nahmen ihre Kinder an der Hand, vielleicht befürchteten sie, gleich Zeuge einer wilden Schießerei zu werden. In der Raiffeisenstraße erhöhte er das Tempo. Vor ihm auf dem Fußweg sah er einen kräftigen Mann mit Pferdeschwanz, der noch unschlüssig zu sein schien, ob er sich ihm in den Weg stellen sollte. Es war ein Türstehertyp, dazu passte auch der unruhig hechelnde Schäferhund, den er an der Leine hielt. Schnäuzelchen verlangsamte das Tempo etwas. Mist! Auf der Straße kam ihm ein Lieferwagen entgegen, er musste auf dem Fußweg bleiben. Der Türsteher trat ihm einen Schritt entgegen, er war noch zehn Meter von ihm entfernt. Was sollte er jetzt tun? Er wollte es natürlich auf keinen Fall auf ein Handgemenge oder gar einen Kampf ankommen lassen. In solch einem Fall war vereinbart worden, sich geschlagen zu geben und an die Polizei ausliefern zu lassen. Damit wäre das Wildererdrama natürlich beendet gewesen. Der Türsteher da vorne wuchs. Und er bekam ein grimmiges Gesicht. Vom Sportlertyp war er eher Hammerwerfer oder Gewichtheber, dachte Schnäuzelchen, vielleicht Mittelgewichtsboxer oder Kampfsportler – der legendäre
Kran von Mittenwald
vielleicht? Doch jetzt trat der Pferdeschwanz einen Schritt zurück, er zog seinen Schäferhund aus dem Weg und machte ihm Platz.
    »Viel Glück!«, rief er. Schnäuzelchen bedankte sich mit dem Daumen nach oben. Das war Werdenfelser Lebensart! Eine Grundsympathie der Bevölkerung für alle Wilderer,

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