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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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quälte sich mit diesem Vorsatze ab; doch dann überlegte er sich, daß er dies alles auch nach dem Frühstück tun konnte und daß er den Tee, wie immer, liegend trinken könnte, um so mehr, als diese Stellung zum Nachdenken nicht minder geeignet war. So tat er denn auch. Nach dem Tee aber richtete er sich auf seinem Lager auf und wäre beinahe aufgestanden; ja, er hatte sogar begonnen, auf die Pantoffeln blickend, den einen Fuß vom Bette zu ihnen hinabgleiten zu lassen; doch gleich darauf zog er ihn wieder zurück.
    Es schlug halb zehn, Ilja Iljitsch raffte sich auf.
    »Was soll denn das, wahrhaftig!« sagte er laut und ärgerlich. »Man muß doch ein Gewissen haben; es ist Zeit, mit der Arbeit zu beginnen! Wenn man sich gehen läßt, so ...«
    »Sachar!« rief er.
    In dem Zimmer, das nur durch einen kleinen Korridor von Ilja Iljitschs Arbeitszimmer getrennt war, hörte man zuerst etwas wie das Brummen eines Kettenhundes und dann das Geräusch von irgendwo herabspringender Füße. Das war Sachar, der von der Ofenbank herabsprang, auf welcher er gewöhnlich seine Zeit, vor sich hindösend, verbrachte.
    Ins Zimmer trat ein älterer Mann in einem grauen Rock, mit einem Loch unter dem Arm und einem daraus hervorschauenden Hemdzipfel, in einer grauen Weste mit Messingknöpfen, mit einem Schädel, nackt wie ein Knie, und einem breiten, dichten, dunkelblond und grau melierten Backenbart, dessen jede Hälfte für drei Bärte ausgereicht haben würde.
    Sachar machte keine Versuche, das ihm von Gott verliehene Äußere, auch die von ihm im Dorf getragene Kleidung zu ändern. Seine Anzüge wurden ihm nach dem Modell, das er sich aus dem Dorfe mitgebracht hatte, genäht. Der graue Rock und die Weste gefielen ihm auch darum, weil er in dieser halbmilitärischen Kleidung eine schwache Erinnerung an die Livree sah, die er einst trug, als er die verstorbenen Herrschaften in die Kirche oder bei Visiten begleitete; die Livree aber war in seiner Erinnerung das einzige Symbol der Würde des Hauses Oblomow. Nichts sonst erinnerte den Alten mehr an das wohlige, ruhige, herrschaftliche Leben im entlegenen Dorfe. Die alten Herrschaften waren gestorben, die Familienporträts waren zu Hause geblieben und lagen wohl irgendwo auf dem Dachboden herum; die Überlieferung von der alten Lebensweise und der Vornehmheit der Familie verschwand mit der Zeit oder lebte nur in der Erinnerung weniger im Dorfe zurückgebliebener Greise. Darum war der graue Rock Sachar so teuer; darin, wie auch in einigen im Gesichte und in den Manieren des Herrn erhaltenen Merkmalen, die an seine Eltern erinnerten, und in seinen Launen, über die er zwar im Geiste und laut brummte, die er aber in seinem Innern als die Äußerung des herrschaftlichen Willens und Rechtes achtete, sah er schwache Überreste der dahingeschwundenen Majestät. Ohne diese Launen fühlte er keinen Herrn über sich; ohne sie machte nichts seine Jugend, das Dorf, das sie längst verlassen hatten, und die Erzählungen über diese alte Familie auferstehen. Das Haus Oblomow war einst reich und in seiner Heimat berühmt gewesen; doch dann verarmte es, Gott weiß weshalb, verkümmerte und verlor sich endlich unmerklich unter den jüngeren Adelsgeschlechtern. Nur die ergrauten Diener des Hauses verwahrten und übergaben einander das treue Angedenken an die Vergangenheit, das sie wie ein Heiligtum hochhielten. – Darum liebte Sachar so seinen grauen Rock. Vielleicht war ihm auch sein Backenbart darum so teuer, weil er in seiner Kindheit viele alte Diener mit dieser altertümlichen, aristokratischen Barttracht gesehen hatte.
    In seine Gedanken versunken, bemerkte Ilja Iljitsch Sachar lange Zeit nicht. Sachar stand schweigend vor ihm. Endlich räusperte er sich.
    »Was hast du?« fragte Ilja Iljitsch.
    »Sie haben mich doch gerufen!«
    »Ich habe dich gerufen? Warum habe ich dich denn gerufen – ich weiß es nicht mehr!« antwortete er und streckte sich. – »Geh vorläufig in dein Zimmer, ich werde mich schon erinnern.«
    Sachar ging, und Ilja Iljitsch blieb liegen und dachte wieder über den verfluchten Brief nach.
    Es verging eine Viertelstunde.
    »Nun ist genug gelegen«, sagte er; »es muß aufgestanden werden ... Ich werde also den Brief des Dorfschulzen noch einmal aufmerksam durchlesen und dann aufstehen. Sachar!«
    Wieder derselbe Sprung und ein heftigeres Brummen. Sachar kam herein, und Oblomow versenkte sich wieder in seine Gedanken. Sachar blieb etwa zwei Minuten stehen, indem er den Herrn

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