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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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sondern nur so aus der von seinem Vater und Großvater geerbten Gewohnheit, bei jeder Gelegenheit über den Herrn zu schimpfen. Er verbreitete manchmal aus Langeweile oder in Ermangelung eines anderen Gesprächsthemas oder um dem versammelten Publikum mehr Interesse einzuflößen plötzlich irgendein Märchen über seinen Herrn. »Der meinige hat jetzt die Gewohnheit, immer zu einer Witwe zu gehen«, krächzte er leise im Vertrauen; »er hat ihr gestern einen Brief geschrieben.« Oder er erklärte, sein Herr sei ein solcher Kartenspieler und Trunkenbold, wie ihn die Welt noch nie gesehen hatte, und daß er alle Nächte bis zum Morgen Karten spiele und Schnaps trinke. Das entsprach aber gar nicht der Wahrheit: Ilja Iljitsch besuchte gar keine Witwe, schlief ruhig in der Nacht und nahm nie eine Karte in die Hand.
    Sachar war unsauber. Er rasierte sich selten, und wenn er sich auch Gesicht und Hände wusch, schien er eher nur so zu tun, als wasche er sich; man konnte ihn übrigens mit gar keiner Seife reinwaschen. Wenn er ins Badehaus ging, verwandelten sich seine Hände nur für zwei Stunden aus schwarzen in rote und wurden dann wieder schwarz.
    Er war sehr ungeschickt: Wenn er das Haustor oder die Tür öffnen wollte, machte er eine Hälfte auf, dabei schloß sich die zweite, er lief zu ihr hin, und infolgedessen schloß sich die erste Hälfte. Er konnte nie ein Taschentuch oder einen andern Gegenstand auf einmal vom Fußboden aufheben, sondern beugte sich immer dreimal nieder, als haschte er danach, und fing es vielleicht erst beim viertenmal auf, es kam aber vor, daß er es dabei wieder fallen ließ. Wenn er einen Haufen Geschirr oder andere Sachen durch das Zimmer trug, begannen die obersten Gegenstände gleich beim ersten Schritt zu Boden zu fallen; zuerst fiel ein Gegenstand zu Boden, er machte jählings eine verspätete und unnütze Bewegung, um ihn aufzuhalten, und ließ dabei zwei andere zu Boden gleiten; er sperrt vor Erstaunen den Mund auf und schaut dem fallenden Gegenstand nach, statt auf diejenigen, die er in der Hand hält, zu achten, dadurch beugt er das Präsentierbrett herab, so daß wieder Gegenstände herunterfallen und er am entgegengesetzten Ende des Zimmers mit einem einzigen Glas oder Teller anlangt; manchmal wirft er selbst das letzte, was er noch in der Hand hält, schimpfend und fluchend herab. Wenn er durch das Zimmer schreitet, streift er bald den Tisch und bald den Sessel mit dem Fuß oder mit der Seite, findet nicht sogleich in die offene Türhälfte hinein, sondern stößt mit den Schultern gegen die zweite und schimpft dann über beide Hälften oder über den Hausherrn und den Zimmermann, der die Tür gemacht hat. In Oblomows Arbeitszimmer sind fast alle Gegenstände zerbrochen, besonders die kleinen, die eine behutsame Behandlung beanspruchen, und das alles durch Sachars Schuld. Er wendet seine Geschicklichkeit, eine Sache in die Hand zu nehmen, bei allen Gegenständen an, ohne in der Behandlungsweise des einen oder anderen Gegenstandes irgendeinen Unterschied zu machen. Man sagt ihm zum Beispiel, er soll eine Kerze putzen oder ein Glas mit Wasser füllen, er verbraucht dabei ebensoviel Kraft wie beim Öffnen des Haustors. Wehe der Wohnung, wenn Sachar, von einem jähen Eifer, den Herrn zufriedenzustellen, erfaßt, es sich einfallen ließ, plötzlich überall aufzuräumen, alles zu putzen, aufzustellen und schnell und auf einmal in Ordnung zu bringen; dann nahmen der Schaden und die Verwüstung kein Ende. Ein ins Haus eingedrungener feindlicher Soldat hätte nicht mehr Unheil stiften können – es begann das Schleudern und Zugrunderichten verschiedener Gegenstände, das Zerschlagen des Geschirrs, das Umwerfen von Sesseln; es endete damit, daß man ihn aus dem Zimmer jagen mußte, oder daß er selbst schimpfend und fluchend fortging.
    Sachar hatte sich ein für allemal einen bestimmten Wirkungskreis vorgeschrieben, den er nie überschritt. Er stellte des Morgens den Samowar auf, putzte die Stiefel und die vom Herrn verlangten Kleider, aber niemals diejenigen, die er nicht verlangte, sie mochten zehn Jahre dahängen. Dann fegte er – aber nicht jeden Tag – die Mitte des Zimmers aus, ohne je bis in die Ecken einzudringen, und staubte nur jenen Tisch ab, auf dem nichts lag, um die Gegenstände nicht herunternehmen zu müssen. Dann hielt er sich schon für berechtigt, auf der Ofenbank hinzudämmern oder mit Anissja in der Küche und den anderen Dienstboten am Haustor zu plaudern, ohne

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