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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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nicht zu haben braucht oder spazierengehen oder auch nicht gehen kann; infolgedessen war es ihm ganz gleichgültig, was das für ein Buch war, er betrachtete es als einen Gegenstand, der zur Zerstreuung bestimmt ist, wenn man sich langweilt oder nichts zu tun hat. »Ich habe schon lange nichts gelesen«, sagt er oder ändert den Satz und sagt, »ich werde einmal ein Buch lesen«, oder er sieht einfach im Vorbeigehen zufällig das ihm vom Bruder überlassene Häuflein Bücher und nimmt, ohne zu wählen, was ihm unter die Hand kommt. Ob er Golikow, »Das neueste Traumbuch«, Cheraskows »Rosiade«, eine Tragödie von Sumarokow oder eine vorjährige Zeitungsnummer hervorzieht, er liest alles mit gleichem Vergnügen, indem er von Zeit zu Zeit bemerkt: »Schau nur, was er sich ausgedacht hat! So ein Schelm! Ach, daß dich der Kuckuck!« Diese Ausrufe bezogen sich auf die Autoren, deren Beruf in sei nen Augen gar keine Achtung verdiente; er hatte sich den Schriftstellern gegenüber sogar jene teilweise Verachtung angeeignet, mit der man sie in früheren Zeiten belegt hat. Er und viele andere hielten den Dichter für einen lustigen Kumpan, einen Bummler, Trunkenbold und Spaßvogel in der Art eines Seiltänzers.
    Manchmal las er auch aus den vorjährigen Zeitungen laut vor oder teilte die Nachrichten auf folgende Weise mit:
    »Man schreibt da aus Haag«, sagt er, »daß S.M. der König nach der kurzen Reise wohlbehalten in das Schloß zurückzukehren geruht hat«, und sieht dabei alle Zuhörer über die Brille an. Oder: »In Wien hat der und der Botschafter sein Kreditivschreiben eingehändigt. Und da schreibt man«, las er noch, »daß man die Werke der Frau Genlis ins Russische übersetzt hat.«
    »Man übersetzt wohl immer nur deswegen«, bemerkt einer der Zuhörer, ein kleiner Gutsbesitzer, »um unsereinem, den Edelleuten, das Geld herauszulocken.«
    Und der arme Iljuscha mußte immer zu Stolz fahren, um zu lernen. Sowie er am Montag erwacht, erfaßt ihn schon Bangigkeit. Er hört die laute Stimme Wassjkas, der von der Stiege herunterschreit:
    »Antipe! spann den Schecken an! Der junge Herr fährt zum Deutschen hin.«
    Sein Herz erbebt. Er geht traurig zur Mutter hin. Diese kennt schon den Grund und beginnt die Pille zu vergolden, indem sie selbst heimlich über die Trennung auf eine ganze Woche seufzt. Man weiß nicht, was alles man ihm an dem Morgen vorsetzen soll, man bäckt für ihn Semmeln und Kringel, gibt ihm Gesalzenes, Gebackenes, Gesottenes, verschiedene Obstmarmeladen und allerlei andere trockene und flüssige Leckereien und selbst Lebensmittel mit. Das alles geschieht in der Voraussetzung, daß man beim Deutschen nicht zu reichlich gefüttert wird.
    »Dort wird man nicht fett«, sagten die Oblomower; »zu Mittag geben sie Suppe, Braten und Kartoffeln, zum Tee Butter und zum Abendbrot gibt es leere Schüsseln.«
    Übrigens träumte Ilja Iljitsch meistens von den Montagen, an denen er Wassjkas Stimme, die den Schecken einzuspannen befahl, nicht hörte und an denen die Mutter ihn beim Tee mit einem Lächeln und mit der angenehmen Nachricht empfing:
    »Heute fährst du nicht; am Donnerstag ist ein großer Feiertag; lohnt es sich denn für drei Tage hin- und herzufahren?«
    Oder sie erklärt ihm plötzlich, daß jetzt die Gedenkwoche ist. »Jetzt hat man zum Lernen keine Zeit. Wir werden Pfannkuchen backen.«
    Oder die Mutter blickt ihn auch Montagfrüh forschend an und sagt:
    »Du hast trübe Augen. Bist du wohlauf?« und schüttelt den Kopf.
    Der Schelm ist wohlauf wie ein Fisch im Wasser, aber er schweigt.
    »Bleibe diese Woche zu Hause«, sagt sie, »und dann werden wir sehen, was Gott uns gibt.«
    Und alle im Hause waren davon überzeugt, daß das Lernen und der Gedenk-Samstag nicht zusammentreffen dürfen oder daß ein Feiertag am Donnerstag ein unbezwingbares Hindernis für das Lernen während der ganzen Woche sei. Nur ab und zu brummte ein Diener oder eine Magd, die des jungen Herrn wegen geschimpft worden waren:
    »Wart nur, du Tunichtgut! Wirst du schon bald zu deinem Deutschen abfahren?«
    Ein anderes Mal erscheint plötzlich Antipka beim Deutschen auf dem bekannten Schecken am Anfang oder in der Mitte der Woche, um Ilja Iljitsch abzuholen.
    »Es ist Marja Sawischna oder Natalja Fadjewna oder es sind die Kusowkows mit allen Kindern zu Besuch gekommen. Sie sollen also mit mir nach Hause fahren!«
    Und Iljuscha bleibt drei Wochen lang zu Hause, und dann ist die Karwoche nicht mehr weit, oder es kommt ein

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