Obsession
dem Staubkörner einen wirren Tanz aufführten. Als er versuchte, sich darauf zu konzentrieren, wurde
ihm schwarz vor Augen.
[ Navigation ]
|412| Kapitel 21
Die Wespe knallte gegen das Fenster. Die Sonne strahlte auf gesamter Länge durch die Westseite des Ateliers und erfüllte es
mit Licht. Das Fenster daneben war geöffnet. Zoe ging hinüber und versuchte, die Wespe mit einer Hand hinauszuscheuchen. «Na
los, hau ab.»
Das Summen wurde hektischer, dann fand sie die Lücke und flog hinaus. «Mistdinger.»
«Du hättest einfach draufhauen sollen», sagte das Model und drehte den Schraubverschluss von der Mineralwasserflasche. «Mache
ich immer.»
Zoe sah verlegen aus. «Bei einer Fliege hätte ich es auch gemacht.»
Ben sagte nichts. Er hatte sie auch schon dabei beobachtet, wie sie Fliegen hinauslotste, aber sie wollte sich ihre humanitäre
Ader partout nicht anmerken lassen. Er spürte ihren Blick, während er sich mit dem Objektiv abmühte, doch sie bot ihm keine
Hilfe an. Nach den ersten Irritationen waren sie übereingekommen, dass er allein zurechtkam, egal wie lange es dauerte. Manchmal
wurde es jetzt bei den Aufnahmen ein bisschen spät, aber bisher hatte sich noch niemand beschwert. Die Qualität seiner Arbeit
war nicht beeinträchtigt.
Außerdem wurde er immer geschickter. Anfänglich hatte |413| er Schwierigkeiten mit der Prothese gehabt, aber nach und nach gewöhnte er sich daran. Es war seine linke Hand, die er sowieso
nur zum Halten und Abstützen gebrauchte. Sobald man den Schock beim Anblick des Gebildes aus Metallstäben, Kabeln und Plastik
überwunden hatte, konnte man beinahe eine ästhetische Schönheit darin entdecken. Es war reine Gewöhnungssache. Im Krankenhaus
hatte man ihm gesagt, dass er auch andere, der Natur nachempfundene Modelle haben könne, aber er war sich nicht sicher, ob
er das wollte. Die unverhüllte Künstlichkeit seiner jetzigen Prothese erschien ihm ehrlicher. Er hatte eine Fotoserie begonnen
und die Prothese sowohl allein als auch auf seiner verstümmelten Hand fotografiert, wobei er mit dem Effekt experimentierte,
den er bei den verwelkten Blumen entdeckt hatte. Noch wusste er nicht, was daraus werden würde oder ob er die Aufnahmen jemals
jemandem zeigen würde, aber er wollte damit weitermachen. Auf jeden Fall war es eine gute Therapie, durch die er zu akzeptieren
lernte, was geschehen war.
Er hatte das Objektiv abgeschraubt und ein anderes angebracht. Zoe und das Model hatten sich diskret abgewandt. «Noch fünf
Minuten, dann beginnen wir mit den letzten Aufnahmen, okay?», sagte er. Er legte die Kamera weg und ging zu Jacob, der auf
dem Sofa saß. «Willst du was trinken, Jake?»
Jacob schüttelte den Kopf, ohne von dem Puzzle aufzuschauen, das er auf dem Couchtisch ausgebreitet hatte. Zur Abwechslung
setzte er es mit der Bildseite nach oben zusammen. Ben hielt ihm die Prothese unter die Nase und bewegte die Finger. Jacob
hielt inne und betrachtete sie.
Ben schaute auf ihn hinab. Bald waren die Ferien vorbei, und dann würde ihm der Junge im Atelier fehlen. Am |414| Anfang hatte er sich Sorgen gemacht, ob es funktionieren würde, wenn er während der Aufnahmen dabei war, aber es war alles
gutgegangen. Er glaubte, dass auch Jacob die Zeit genossen hatte, aber das konnte man nie genau wissen.
Dem Antrag auf Betreuungsrecht war stattgegeben worden, während Ben noch im Krankenhaus gelegen hatte. Das Adoptionsverfahren
war noch im Gange und zog sich wohl über ein weiteres Jahr hin. Aber man hatte ihm versichert, dass es keine Probleme geben
dürfte.
So lange würde er allerdings keine rechte Ruhe finden.
Er versuchte, ein Puzzleteil aufzuheben, und schaffte es beim vierten Versuch. Er hielt es Jacob hin, der es wieder zu den
aufgehäuften Teilen legte und ein anderes auswählte.
«Schlaumeier», sagte Ben. «Ich werde Oma Paterson bitten, dich dieses Wochenende nicht mit ihrem Treppenlift spielen zu lassen.»
Jacob lächelte kurz. Dann setzte er wieder seine normale, abwesende Miene auf und untersuchte die Prothese. Sie faszinierte
ihn noch immer. Er berührte die Stahlglieder und Drähte und fuhr behutsam an ihnen entlang. Ben bewegte sie für ihn. Als der
Junge die Hand vor sein Gesicht hielt und hindurchschaute, sah Ben hinter den Stahlfingern Coles starren Blick.
«Bist du so weit?», rief Zoe.
Ben nahm vorsichtig seine Hand weg. «Ja.»
Jacob widmete sich wieder dem Puzzle.
[ Navigation
Weitere Kostenlose Bücher